Von Brasov nach Silistra: Erste Schotterpiste
Am Samstag verlassen wir ausgeruht unser Brasov. Die 1A in Richtung Südwesten macht ihrem Namen alle Ehre: sanfte Kurven durch die Berglandschaft, kaum Verkehr und strahlend blauer Himmel. Wir halten an und Micha installiert erstmals den Camcorder ans Motorrad, um zu filmen, wie wir mit der MZ über die Hügel und Dörfer touren. Am Abend sitzen wir gespannt vor unserer ersten Fahraufnahme und freuen uns über das Knattern und Qualmen bei Bergauf.
Als wir in Slobozia feststellen, dass wieder mal keiner der ringsum eingetragenen Campingplätze (mehr) existiert, fahren wir noch die paar zig Kilometer zur bulgarischen Grenze weiter. Kurz nach der Stadt wird die bisher gut und breit ausgebaute Straße plötzlich zur Baustelle und zur allergröbsten Schotterpiste. Ich komme auf den Steinen ins Schwitzen und mache am Ende drei Kreuze. Nach einem Zwischenstopp beim Pennymarkt in Calasari geht’s zur Donaugrenze. Hier setzen wir mit der Fähre nach Silistra in Bulgarien über. Es ist sieben Uhr abends und wir hoffen auf einen schönen Platz zum Zeltaufschlagen an der Donau. Auf der Fähre kommen wir über die MZ sofort wieder ins Gespräch mit den Leuten. Wemelin, Bulgare aus Silistra, findet die Idee, mit diesen Motorrädern nach Nepal zu fahren, verrückt und lädt uns ein, Gast bei ihm zu sein. Wir nehmen sein Angebot glücklich an.
Bei Wemelin im bulgarischen Plattenbau
Wemelin ist 54 Jahre alt, Chemielehrer und lebt in einer alten Plattenbauwohnung in der Grenzstadt Silistra. Seine Frau, Tochter und Enkel leben in der Nähe von Sofia. Als wir kurz nach der Grenzkontrolle in seiner Wohnstraße anhalten, kümmert er sich noch schnell darum, dass wir die Motorräder auf Großmütterchens Hof gegenüber sicher unterbringen können. Nachdem wir in der ersten Gartenpforte mit den Alukoffern stecken geblieben sind, nehmen wir den Hof nebenan. Die Emmen sind sicher abgestellt und jetzt geht’s mit dem alten Fahrstuhl in der kommunistischen Platte hoch zum dritten Stock ins Apartment Nr. 8. Wemelin ist unglaublich freundlich und wir fühlen uns, als wären wir Teil seiner Familie, der nach Jahren zu Besuch kommt. Nach einer schnellen Dusche, die den Schweißgeruch und die Müdigkeit runterwäscht, zeigt er uns seine mehr als 1900 Jahre alte Heimatstadt und wir essen zu Abend auf der Terrasse eines einheimischen Restaurants mit Blick auf den Fluss. Mit einem Mischmasch aus Englisch, Russisch, Deutsch und Gestik unterhalten wir uns den ganzen Abend lang – über Obama, Sozialismus, Kapitalismus und Atheismus. Morgens wartet er in seinem Wohnzimmer geduldig bis wir ausgeschlafen haben und verwöhnt uns mit frischem Rührei, Salami und Fetakäse. Als wir losfahren, verabschiedet er sich augenzwinkernd: „God bless your travel, Ihr Atheisten!“
Nix Camping am Schwarzen Meer
Es ist Sonntag und wir fahren im leichten Regen nach Varna. Die selten benutzte Regenkleidung wird das erste Mal ausgepackt. Auf der Straße sind viele Bauern mit Pferdewagen zur Feldarbeit unterwegs. In Varnas Zentrum angekommen stellen wir uns bei McDonalds unters Dach und warten einen Regenschauer ab. Der Fastfoodtempel ist auch hier überlaufen mit Familien, die scheinbar einen Sonntagsausflug hierher machen. Als der WLAN-Zugang abbricht und der Regen aufhört, fahren wir an der Schwarzmeerküste entlang nach Süden. Auf der Suche nach einer Campingmöglichkeit am Meer heißt es immer nur: „Nix Camping. Geschlossen. Nur Hotel.“ Als wir dem einzigen Straßenschild „Camping Luna“ nahe Bejala folgen, landen wir vor einer dubiosen Hütte, vor der drei Männer sitzen, Bier trinken und verwahrloste Hunde unsere Motorräder anbellen. Sie bieten uns einen verdreckigten Bungalow für 10 Euro die Nacht an. Wir haben nicht nur wegen der Müllberge ringsum ein schlechtes Gefühl und machen schnell, dass wir weg kommen. Ein paar Kilometer weiter im Touristenareal Sonnenstrand ziehen wir im Balkan-Hotel für zwölf Euro die Nacht ein. Bereits vor zwei Jahren hatten wir in diesem Teil Bulgariens einen Kurzurlaub gemacht und uns über die Hotelstadt und etliche Baustellen gewundert. Am Sonntagabend angekommen freuen wir uns diesmal über das Urlaubszimmer, eine Dusche, ein großes Bett und saubere Handtücher. Wir machen noch einen Strandspaziergang und verbringen die bisher entspannteste Nacht unserer Reise. Hier verweilen wir noch einen Tag länger bis es auf die letzte Etappe innerhalb Europas, also nach Istanbul geht.
Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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