Bunter Anfang in Batumi
Am 23. Juni und damit rechtzeitig vor dem Halbfinale Türkei gegen Deutschland fahren wir bei Sarpi über die Grenze nach Georgien. Die Route entlang der türkischen Schwarzmeerküste war eine gute Entscheidung. Wir hatten eine schöne Zeit bei den Türken, die uns immer sehr offenherzig und hilfsbereit begegnet sind. Viele von ihnen sprechen (etwas) deutsch und lieben „Almanya”.
Am baulich stark vernachlässigten Grenzübergang auf türkischer Seite ist ziemlich viel Verkehr. Es gibt aber keine Komplikationen. Am ersten Schalter bzw. Container mit der Aufschrift „Police – Pass Control“ drängelt sich eine Traube verschwitzter und aufgeregter Menschen, die alle gleichzeitig versuchen, ihren Pass durch die kleine Luke zu drücken, hinter der zwei Polizisten äußerst stressresistent die Pässe abstempeln. Wir haben keine Wahl und drängeln und schwitzen mit. Am letzten der insgesamt vier türkischen Grenzschalter verabschieden uns die Beamten noch bester Laune und voller Vorfreude auf das kommende Fußballspiel. Ein paar Tage später wissen wir: Wir haben mit der Ausreise nach Georgien alles richtig gemacht, denn hierzulande wurde der Sieg der Mannschaft um Star „Ballacki“ kräftig bejubelt.
Von der türkischen Grenze bis nach Batumi ist es nur eine halbe Stunde Fahrt. Die georgischen Kühe sind noch cooler als ihre türkischen Verwandten und pennen hier in aller Ruhe mitten auf der Fernstraße, als wären sie taub und blind. Durchgeschwitzt bei etwa 35 Grad kommen wir im Zentrum von Batumi an und quartieren uns im kleinen Hotel Lavro ein. Schnell sind wir wieder umringt von neugierigen Männern, die uns beim Entladen der MZ zusehen und Micha dabei ausfragen. Leider hat die Stadt an diesem Tag kein Leitungswasser, aber zum Glück improvisiert der Hotelbesitzer abends mit einer kleinen Pumpe und wir gehen nach dem Abendessen am Hafen halbwegs sauber ins Bett. Nach dem Ausschlafen packen wir die Kamera ein und schlendern am nächsten Morgen durch die morbiden, charmanten, bunten Straßen. Hier gibt es keine modernen Supermärkte, sondern viele kleine Tante-Emma- und Obst-Gemüse-Läden. Manchmal dient die Garage oder der Hofdurchgang als Verkaufsstand für Schuhe oder Sonstiges. Zum späten Frühstück probieren wir in einem kleinen Café die regionale Spezialität: Katschapuri. Das ist ein Teigboot mit einer Art Fetakäse gefüllt, in das kurz vor dem Fertigbacken noch ein Ei geschlagen wird. Es hat ganz gut geschmeckt und lange satt gemacht.
Kleiner Kaukasus: Der erste große Endurotest
Am Mittag des 25. Junis machen wir uns völlig unbedarft und bei Sonnenschein auf den 140-Kilometer-Weg nach Akhaltsikhe, und zwar durch den kleinen Kaukasus via Shuakhevi. Die Straße ist anfangs gut ausgebaut. Sehr bald geht sie in Flickenasphalt über und ab der Hälfte der Strecke beginnt dann überraschend unsere erste echte Enduroetappe. Als Hauptstraße in unserer Landkarte verzeichnet würden wir den Weg eher als ausgetrocknetes Flussbett beschreiben, das sich als felsige Serpentinen über unseren ersten echten Gebirgspass (Goderdzi) mit immerhin 2025 Metern schlängelt. Als wir die MZ im ersten Gang bergauf durchs Gelände quälen, müssen wir an unsere KTM und XT zuhause denken, die hier zweifelfrei mehr Spaß mit uns hätten. Diese Straße passieren, wie wir hinterher erfahren werden, eigentlich nur geländegängige Lastwagen oder Jeeps. Die paar wenigen Fahrzeuge, die uns entgegen kamen, haben gehupt und gewunken – wahrscheinlich, um uns Mut zu machen.
Nach dem Sechsstundentripp erreichen wir in der Dämmerung endlich die KleinstadtAkhaltsikhe und landen im komischen, verwaisten, aber scheinbar besten Hotel der Stadt – das „White House“. Hier gibt es einen sicheren Parkplatz für die gestressten MZ und einen Fernseher mit georgisch kommentiertem Halbfinale für die müden Fahrer. Vor dem Schlafengehen haben wir noch eine Schicksalsbegegnung mit der liebenswerten Anna im kleinen Magazin gegenüber, die wir ansprechen, weil sie gerade mit ihrem georgischen Kumpel Gotscha auf Deutsch telefoniert. Sie freut sich wie ein kleines Kind über die beiden Deutschen, die in diesem Moment plötzlich vor ihr stehen. Anna kann es kaum fassen und lädt uns spontan auf einen Tee in ihre Wohnung gleich nebenan ein. Sie kann nicht aufhören, endlich wieder richtig deutsch zu sprechen. Bis vor ein paar Monaten war sie drei Jahre lang als AuPair in Deutschland und vermisst diese Zeit so sehr, dass ihr die Tränen in den Augen stehen. Wir haben sofort einen Draht zueinander und verabreden uns für den nächsten Morgen.
Vardzia: Spannender Ausflug in die Felsstadt
Den ganzen nächsten Tag verbringen wir mit Anna und ihrem Kumpel Gotscha, die sich extra Zeit für uns genommen haben. Zuerst fahren sie eine Dreiviertelstunde mit dem Minibus vor ins kleine Dorf Idumala nahe Aspindza, wo Annas Eltern wohnen und wir abends bleiben werden. Bis dahin folgen wir ihnen bzw. dem Bus mit unseren Motorrädern. Minibusse sind hierzulande die üblichste Art, von A nach B zu kommen. Meistens ist der Bus ein alter und stark beanspruchter Ford Transit mit Platz für 14 bis 20 Mann. Es gibt keinen genauen Fahrplan. Die Busse starten, wenn sie voll sind und unterwegs steigen die Leute an der Straße einfach aus oder zu. Von Idumala aus fahren wir vier gemeinsam mit dem nächsten Minibus weiter zu unserem Ausflugsziel Vardzia. Wir haben Glück und müssen kaum warten. Voll beladen mit Männern, Müttern und Kindern holpern wir noch einmal eine Dreiviertelstunde über die Schotterpiste. Zwischendurch gibt es eine kurze Pause, eines der Kinder muss kotzen.
Vardzia ist eine geschichtsträchtige und einzigartige Felsstadt oben im Berg, die im 12. Jahrhundert entstand und, so sagt man, nur durch ein geheimes Tor zugänglich war. Die Stadt kam erst viel später zum Vorschein, als ein Teil des Berges abbrach. Heute leben noch Mönche dort oben und reichen den Besuchern heiliges Wasser aus der geheimen Höhlenquelle. Wir waren sehr beeindruckt von diesem Ort und der umliegenden Landschaft.
Geogisches Dorfleben in Idumala
Zwei Nächte verbringen wir bei Anna und ihren Eltern in Idumala. Hier nutzen sie das alte Haus der Großeltern derzeit als Sommerlager. Wir genießen das familiäre, gute Abendessen und die traditionellen, uns segnenden Trinksprüche des Vaters bei selbst gemachtem Rotwein. Wir fühlen uns hier im einfachen und herzlichen Haus total wohl – mit Hund Mickey, einem Klohäuschen und der Dusche im Garten. Beim Abendspaziergang durchs Dorf mit Blick auf Fluss und Berge begegnen wir neugierigen Verwandten und Dorfbewohnern. Wir möchten uns irgendwie revanchieren für die Herzlichkeit der Familie und putzen am nächsten Tag zum Dank das Auto von Annas Vater, der sieben Tage die Woche als Bauleiter unterwegs ist und kaum Zeit für zuhause hat. Wir pflegen auch noch ein bisschen unsere MZ auf der Terrasse und brechen nach zweieinhalb Tagen leider schon wieder auf nach Borjomi, wo wir nahe der bekannten Mineralwasserquelle Station machen. Die lustige Mannschaft der Pension, in der wir unterkommen, schiebt nach Dienstschluss sicherheitshalber noch unsere beiden Packesel in den Kneipensaal. Wie Kinder setzen sie sich nacheinander auf die parkenden Motorräder und hupen, bis die Gläser auf der Theke wackeln.
Via Georgian Military Highway in den großen Kaukasus
Nächstes Ziel unseres Georgienaufenthalts ist ein zweitägiger Abstecher ins nördliche Kaukasusdorf Kazbegi (heute wieder Stepan Tsminda). Die Straße dorthin über den Jvari-Pass (2.379 m) fährt sich erholsam gut. Die fast unwirklich erscheinende Gebirgslandschaft mit ihren Schneegipfeln ist ziemlich eindrucksvoll. Wir kommen uns winzig vor zwischen den riesigen Bergen. Es ist kühl und feucht hier oben. Gerade so über den Pass gekommen, geht Micha dann das Benzin aus. Kein Mensch in Sicht. Wir hatten beide nicht ans Tanken gedacht. Wir schaffen es, bergab ins nächste Dorf vor einen Kiosk zu rollen. Hier sitzen scheinbar schon auf uns wartend zwei alte Herren an einer kleinen Zapfsäule und grinsen uns an. Erleichtert und mit vollem Tank geht’s noch ein paar Kilometer weiter nach Kazbegi. In der Dorfmitte werden wir sofort abgefangen und in die Privatunterkunft zu Maja und ihrer kleinen Familie in Gergeti geführt. Bei Maja wohnen die Gäste sehr individuell. Das Zimmer in der sonst unbewohnten zweiten Etage des Hauses ist eigentlich ein kleiner Tanzsaal mit zwei Betten. Im Preis enthalten sind ein georgisches Frühstück und Abendessen, das uns Maja zur gewünschten Zeit nach oben serviert, eine warme Dusche im Waschkeller und ein Plumpsklo neben dem Hühnerstall. Vier Monate hat Majas Familie Zeit, an den relativ vielen ausländischen Touristen, die zum Wandern und Klettern hierher kommen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ruhige Dorf ist umringt von Bergketten, die wie Riesenwände vor uns stehen. Wir können am Abend kurz den legendären Kazbegiberg sehen. Über 5.000 Meter hoch ist er oft von Wolken verdeckt. Am kommenden Morgen ist eigentlich „Im-Bett-bleiben-Wetter“. Eine tiefe Wolkendecke versperrt die Sicht. Wir ziehen uns die Regenjacken an und wollen zusammen mit einem anderen jungen Paar hoch auf den Berg, wo die kleine 600 Jahre alte Tsminda Sameba Kirche steht. Die ist so was wie ein Wahrzeichen für die Georgier. Ein Bekannter von Maja fährt uns vier in seinem Lada Niva den krassen Panzerweg hinauf. Unglaublich, wie das alte Auto den Weg geschafft hat. Wir sind so froh, dass wir nicht die MZ genommen haben und zaubern unserem Chauffeur ein breites Grinsen in sein markantes, faltiges Gesicht, als wir uns – wieder zurück im Dorf – mit „otschen karascho maschina“ bei ihm verabschieden. Mit einem Besuch im sonst unbesuchten Alexander Kazbegi Museum beenden wir unser Touriprogramm.
Ein dreiviertel Tag in Tibilisi
Nach Kazbegi haben wir leider nur noch weniger als einen Tag für Tibilisi, bevor es zur aserbaidschanischen Grenze geht. Die Visatermine sitzen uns leider ein bisschen im Nacken. Wir haben einen Tipp für eine nette Unterkunft im Zentrum bekommen. Wir sind zwar in der Hauptstadt, aber leider finden wir hier kein einziges Straßenschild und nirgends einen Wegweiser! Zum Glück sprechen wir zwei sehr nette Männer an der Tankstelle an, die uns mit ihrem Auto direkt bis vor die Haustür leiten. Bei dieser Stadtfahrt haben wir schnell die wenigen Verkehrsregeln der Tibiliser gelernt: 1. im Allgemeinen herrscht Rechtsverkehr, 2. Fahrspuren existieren nur spontan und lösen sich genauso schnell wieder auf und 3. drängeln, hupen, drängeln…
Leider sind schon alle Zimmer der charmanten Pension von einer Studentengruppe aus den USA belegt. Viele junge Amis sind derzeit in Georgien unterwegs. Die US-Regierung unterstützt sie mit Stipendien. Wir schlagen also unser Zelthäuschen im Hinterhof auf, nehmen eine lange Dusche, erledigen ein paar Dinge im Internetcafé und fahren abends mit dem Taxi zum Teigtaschenessen in die Altstadt. Das war`s dann auch schon mit Tibilisi. Am Morgen des 2. Julis lassen wir uns von einem Taxifahrer sicher aus der Stadt führen und kommen nach zweieinhalb Stunden an der Grenze zu Aserbaidschan an. Schon wieder verlassen wir ein Land, an das wir uns gerade erst gewöhnt hatten. Georgien ist landschaftlich traumhaft und sehr abwechslungsreich. Gastfreundschaft ist für die Menschen eine Selbstverständlichkeit. Im ersten Moment manchmal etwas von uns irritiert, ist nach dem ersten “Garmadschoba” (georgische Begrüßung) sofort das Eis gebrochen. Mit unseren wenigen Russischvokabeln und dem Bildwörterbuch gelingt uns zwar keine richtige Unterhaltung, aber trotzdem entsteht sofort eine herzliche Verbindung. Obwohl uns die Georgier überall dringend vor Diebstahl gewarnt haben, hatten wir nirgends ein unsicheres Gefühl.
Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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Hallo Reisende,
finde es immer wieder schön von Euch zu lesen. Weiterhin toi toi toi und das Tanken nicht vergessen.
Beso tina