Taj Mahal, Ochsenkarren und Tigerspuren

Am Taj Mahal, Agra 2008 (c) emmenreiter.de

Besucherinnen am Taj Mahal, Agra 2008 © emmenreiter.de

Überland von Rishikesh bis Agra

Nach einer unspektakulären Nacht in Kashipur heißt es Abfahrt nach Budaun. Die eher unbekannten Städte bilden unsere Route zur Küste, auf der wir die Hölle Dehli weiträumig umfahren. Seit die Hauptstadt an ihrem Metronetz baut, sind die stickigen, hektischen Staus noch schlimmer. Wir sparen viel Zeit und Nerven. Wir nehmen die Landstraßen. Morgens als wir losfahren, liegt über den abgeernteten Zuckerrohrfeldern und kleinen Dörfern Indiens noch diesiger Nebel, durch den die Palmen und Bäume in der Gegend schimmern. An manchen Stellen sitzen ganze Familien von Rhesusaffen auf dem Feld, lausen sich gegenseitig und suchen nach Essbarem. Noch ist relativ wenig Verkehr. Der Fahrtwind ist kühl. Die Inder haben ihre Köpfe und dünnen, braunen Körper in Decken und Tücher gehüllt. Am Straßenrand sind Männer und Jungen auf großen klapprigen Fahrrädern unterwegs in den nächsten Ort. Auf der Holzpritsche eines Ochsenkarrens, den wir überholen, sitzen Alte, Frauen und Kinder eng zusammen gefercht und lassen sich noch müde irgendwo hin kutschieren. Alte abgeruckelte Busse hetzen wieder über beide Fahrspuren, tröten und drängeln ohne Sinn und Verstand. Alles und jeder, der nicht größer als der Bus ist, soll weichen. Draußen unter den Busfenstern hängen die Kotzspuren ihrer durchgeschüttelten Fahrgäste. Es ist nicht möglich, sich die Wut über die Busfahrer den ganzen Tag zu verkneifen. Mindestens einmal muss aus voller Kehle unterm Helm gebrüllt werden, um der angestauten Aggression Luft zu machen. Ansonsten kommen wir mit Indiens Verkehrsregeln gut klar.
Wir durchfahren auf dem Weg nach Budaun verschiedene Dörfer und kleine Städte. Ihre Straßen sind meistens eng, bunt und gut gefüllt. Hunde und Kühe schlafen im Seelenfrieden auf dem Asphalt und baden sich im Lärm. Hier in Indien kommen neben Rindern noch Schweine hinzu, die sich mit ihrem Rüssel durch die Müllberge in den Straßenecken wühlen und die Scheiße aus der Gosse fressen. Dass sich Vieh und Mensch die Stadt teilen, ist hier tatsächlich das Normalste der Welt.
Auf unserem Weg bis nach Indien konnten wir uns glücklicherweise Stück für Stück an so manche Anblicke und menschliche Eigenarten gewöhnen, so dass uns nichts mehr schockieren kann. Wir haben ziemlich früh gelernt, unser Verständnis von deutscher Gründlichkeit abzuschalten. Viele Dinge sind so zu nehmen, wie sie sind. Angefangen von stets leckenden Wasserleitungen über den hohen Geräuschpegel bis hin zu den Küchenfußböden, von denen man definitiv niemals essen kann. Aber auch solche Dinge sorgen auf unserer Reise für unvergessliche Details aus dem Leben anderer Kulturen.

Ein Nachmittag in Budaun

Auf unserem langen Weg finden wir auch ein Hotel, mitten im Basartreiben. Ausländer sind hier eine echte Abwechslung und wir sind nur noch in unserem Hotelzimmerchen ungestört. Naja, wenn nicht ständig das halbe Personal anklopft, um durch den Türspalt nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Wir wagen uns sogar mit der Kamera raus auf die Straße, als wir Mineralwasser besorgen und Abendessen gehen wollen. Die kindliche Neugier der Menschen amüsiert uns immer wieder, obwohl es manchmal harte Arbeit ist, durch die Gassen zu schlendern. Kinder laufen uns lachend hinterher. Die Verkäufer und Handwerker vor ihren kleinen Läden staunen über die große Frau und den glatzköpfigen Typen. An der Straßenküche finden wir was Warmes zu essen: Linsencurry, Samosa und Chapati. Danach lädt uns eine liebe und aufgeregte Inderin auf einen Willkommenstee in den Innenhof ihres kleinen Hauses gleich um die Ecke ein.

Am Wahrzeichen der Liebe: Taj Mahal

4. Dezember. Hallo Mutti, wir sind in Agra am Taj Mahal angekommen! Und es ist tatsächlich so schön, wie Du es Dir vorstellst. Vom Dachrestaurant unserer Unterkunft können wir das weiße Wunderwerk, das aus Liebe zu einer Frau erschaffen wurde, jeden Tag bestaunen. Wir wohnen im geschäftigen Viertel Taj Ganj gleich in der Nähe des Taj Mahal. Morgens um halb Neun gehen wir durch das Osttor in den Taj-Garten, um das strahlende Bauwerk im Morgenlicht zu sehen. Der ungewöhnlich hohe Eintrittspreis (entspricht drei Nächte im Doppelzimmer) ist beim Anblick des Wahrzeichens schnell vergessen. Pure Eleganz, zeitlos schön! Mehrere Stunden vergehen, in denen wir den Anblick des weißen Marmors, der stilvoll eingearbeiteten Ornamente und schlichten Ziersteinintarsien in Ruhe genießen. Wir beobachten die Inderinnen in ihren leuchtenden Saris, die sich farbenprächtig vor dem Hintergrund des Taj Mahal abheben. Wir verbringen drei ruhige Tage in Agra und lassen uns mit tollem indischen Essen in Joney`s Place verwöhnen. In der kleinen Bude werden vor unseren Augen Malai Kofta und andere Spezialitäten zubereitet. Der Bananen-Lassi ist der Beste, den wir bisher getrunken haben.
In Agra passiert es uns das allererste Mal auf unserer Reise, dass wir beklaut werden. Zum Glück war es nur das Benzin aus den Tanks und Kanistern der MZ. Die Diebe waren allerdings so nett, uns die Reserve zu lassen, so dass wir nicht zur Tankstelle schieben müssen. Das nächste Ziel heißt Ranthambore in der Nähe von Sawai Madhopur.

Dem Tiger auf der Spur

Ranthambore soll einen tollen Nationalpark haben, in dem wir hoffentlich einen indischen Tiger entdecken werden. Von Agra bis dorthin stellen wir einen unglaublichen Tagesrekord auf: 300 Kilometer in sechs Stunden! Zu unserer Fahrfreude sind wir nämlich den Großteil der Strecke auf fast unbefahrener, nagelneuer, zweispuriger Straße unterwegs, so dass die Tachonadel der MZ fast durchgängig die Achtzig streichelt. Indien hat tatsächlich auch chaosfreie Zonen.
In dem Dorf Ranthambore reihen sich Hotels aller Kategorien aneinander. Als wir unsere Bleibe im Hammir Hotel bezogen haben, fahren wir beide auf meiner MZ zum Tourist Centre, wo es die limitierten Tickets für die frühmorgendliche Jeepsafari gibt. Wir müssen uns am nächsten Tag um fünf Uhr an den Ticketschalter anstellen, sagt uns der Inder im Büro. Reservierungen sind nur per Internet möglich. Nach einer kurzen Nacht, in der wir die schlimme Technomusik der indischen Hochzeit im Hotel nebenan ertragen mussten, stehen wir also um 5:03 Uhr am Safariticketschalter. Vor uns eine Traube dunkelgesichtiger Einheimischer, die Karten für ihre Hotelgäste ergattern und mit preislichem Aufschlag weiterverkaufen wollen. Wir können geradeso zwei der wenigen Jeepplätze für uns sichern. Zusammen mit zwei netten Düsseldorfern steigen wir um sechs Uhr auf unsere gut gepolsterten Jeepsitzplätze; unser Fahrer und der Parkführer starten den Motor.
Die Sonne fängt gerade an, aufzugehen. Die frische Morgenluft weht uns um die Nase. Wir fahren durchs Parktor und auf schmalen Wegen durch die aufwachende Natur. Das ehemalige Maharajas- Jagdgebiet ist vierhundert Quadratkilometer groß. Einen Tiger zu entdecken, ist reine Glücksache. Manche Gäste haben die Tour schon vier Mal gemacht und nie einen gesehen. Plötzlich stoppt der Jeep. Der Parkführer sieht über den Wagenrand auf den Boden: Da! Frische Tigerspuren. Er muss ganz in der Nähe sein. Wir gucken ohne Worte in die Runde, durch die niedrigen Büsche. Aber nichts. Wir fahren langsam weiter, wie auf der Pirsch. Er ist wahrscheinlich schon längst abgehauen. Leider hat sich diese Situation in den ganzen drei Stunden unserer Tigersuche immer wieder erfolglos wiederholt. (Ein Touri-Trick?). Immerhin haben wir seine großen, weichen Tatzenspuren im feinen Sand bewundert. Und uns natürlich auch über die anderen Parkbewohner gefreut: Krokodile, Bambirehe, Adler und bunte Vögel… Wir haben keine Lust, uns noch mal mitten in der Nacht für Karten anzustellen, um eine zweite Tigersuche zu wagen. Indien hat ja noch andere Parks und vielleicht haben wir dort mehr Glück. Wir fahren lieber nach Bundi weiter – eine kleine, bunte Stadt zu Füßen eines uralten Burgpalasts am Berg.

Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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2 Gedanken zu “Taj Mahal, Ochsenkarren und Tigerspuren

  1. Sagt mal, wisst ihr überhaupt, wie gut ihr es habt?
    Täglich neue Riesen-Erlebnisse und nicht mehr als ein paar kleine „Unebenheiten“ im Tagesablauf.
    Ich bin nachdrücklich Fränkys Ansicht: ihr seid zu beneiden!
    Und wenn man euren Bildern glauben darf, ist überwiegend blauer Himmel.
    der Anbick von Suse vor’m Taj Mahal entspricht so ziemlich dem, was ich euch im letzten Posting wünschte, als ich die Meldung über Agra las 😉
    Beste Grüße und Wünsche aus dem schmuddeligen Hamburg und immer schön die Ohren steif halten!
    Martin

  2. Hi Ihr Zwei,
    ihr seid wieder mal zu beneiden. Und wie man liest, lasst ihr es locker angehen. Und den Verlust vom Sprit ist noch zu verkraften. Hoffentlich vergeht Euch manchmal nicht der Appetit, bei dem was Ihr so alles zu sehen bekommt – weil Essen muss man man eben ab und an.
    Wir gehen morgen auf den Weihnachtsmarkt Schwäbisch Gmünd und müssen uns per Glühwein auf Temperaturen halten.
    Machts gut und Gruss vom Nikolaus
    Ciao
    Fränky