Toudeshk: Dünenausflug mit Familie Jalali
In Toudeshk fängt uns Mohammad Jalali, zweiundzwanzig Jahre alt, mit seinem Moped auf der Straße ab. Wir hatten ihn vorher aus Yazd angerufen, denn Mohammad ist mittlerweile bekannt dafür, dass er seit Jahren Fahrrad- und Motorradreisenden Unterkunft im Hause seiner Familie gewährt. Wir kommen im alten Teil des Dorfes im Haus seines älteren Bruders Reeza an – ein ockerfarbenes, flaches Gebäude mit Innenhof, in dem Reezas Frau Fatameh gerade Basilikum, Petersilie und andere grüne Kräuter fürs Mittagessen erntet. Eine Schale frischer, aromatischer Kräuter auf dem Esstisch macht uns die iranische Küche sehr schmackhaft. Mittlerweile haben wir viele Spezialitäten des Landes wie Dizi, Kashk-e Bandemjan, Khoresht, Dooh, fische Datteln aus Bam und Safraneis ausprobiert und für gut befunden.
Im Wohnzimmer auf dem iranischen Teppich sitzen Reeza, seine beiden Kinder und ein paar Nachbarn und begrüßen uns. Salam. Salam. Jeder hier vermittelt uns eine herzliche und ungezwungene Atmosphäre. “Fühlt Euch bitte wie zuhause”, sagt Mohammad, der ganz gut Englisch spricht. Und genau das machen wir. Während Fatameh fast stündlich schwarzen Tee serviert, gehen Nachbarn, Freunde und Familie im Hause Jalali ein und aus. Übrigens: Die Zuckerstückchen, die zum Tee gereicht werden, verrührt man im Iran nicht mit dem Tee, sondern legt sie sich beim Trinken auf die Zunge. Nachdem wir auf dem Wohnzimmerteppich lecker zu Mittag gegessen haben, legen wir uns erst einmal ins Nebenzimmer auf die Matratzen. Später schlendern wir mit unserem Gastgeber durchs Dorf. Dabei lernen wir seine unkonventionellen Ansichten über das Leben im Iran kennen. Er ist nicht der Einzige, den wir treffen, der sich mehr Modernität und weniger dubiose Vorschriften wünscht. Warum dürfen Männer Frauen außerhalb der Familie nicht die Hand geben? Warum ist ein Glas Wein nicht erlaubt? Und warum dürfen Iranerinnen kein Motorrad fahren? Und warum…
Am nächsten Morgen steht ein Familienausflug zu den Sanddünen – etwa fünfzig Kilometer Fahrt in die Wüste – auf dem Programm. Bevor es losgeht, wundert sich Micha über die Motorräder. Reeza hat heimlich den ölverschmierten Vergaser und Motorblock an beiden Emmen geputzt. Jetzt stehen beide Männer davor und grinsen um die Wette. Solange die Sonne noch nicht zu heiß brennt, fahren wir als Karawane aus Toudeshk davon und toben uns wenig später in den gewaltigen, feinen Sandhügeln aus. Allerdings ohne Emme. Die lassen wir am Rande der Dünen stehen. Am Nachmittag nehmen wir dann dankend Abschied von Familie Jalali. Dreißig Tage Aufenthalt sind nicht genug für den Iran und Isfahan wartet.
Isfahan: Iranische Frauen und andere Sehenswürdigkeiten
Isfahan – Irans Meisterstück, ein Juwel des alten Persiens und eine der schönsten Städte der islamischen Welt. So beschreibt es der Reiseführer. Und Isfahan ist ziemlich groß. Offiziell mehr als anderthalb Millionen Einwohner auf 1574 Meter über dem Meeresspiegel. Wir fahren immer geradeaus auf der zweispurigen Allee in die Stadt ein, bis wir irgendwann im Zentrum sind und vorm Amir Kabir Hostel landen. Auf dem Weg zum Tante-Emma-Laden spricht uns die Iranerin Sinim in Deutsch auf der Straße an: “Seid Ihr aus Deutschland?” Ja, sind wir. Und ruckzuck haben wir eine Verabredung für den kommenden Vormittag um Neun. Sinim, 47 Jahre alt, geschieden und Mutter einer 13- und 14jährigen Tochter, arbeitet im Frühjahr und Herbst als Reiseleiterin und ist eine echte Powerfrau. Sie nimmt sich den ganzen Vormittag für uns Zeit, um uns die Sehenswürdigkeiten um den berühmten Imam-Platz zu zeigen und uns mehr über die vorislamische und islamische Geschichte ihres Landes zu erzählen. Neben der beeindruckenden Imam-Moschee und der Tatsache, dass der Imam-Platz der zweitgrößte Platz der Welt ist und vor vierhundert Jahren unter anderem als Polospielfeld diente, interessiert uns vor allem, was Sinim über sich selbst erzählt. Sie war kurz nach der iranischen Revolution Ende der Siebziger Jahre wegen politischen Engagements in einer Frauenpartei zwei Jahre lang im Gefängnis. Vom Ehemann und Vater ihrer beiden Töchter hat sie sich gegen alle Widerstände scheiden lassen und lebt heute unabhängig. “Der Weg der Scheidung ist sehr hart, aber danach gibt es glücklicher Weise hilfreiche Gesetze, die die Frauen schützen”, sagt sie. Ihre beiden Schwestern leben seit langem in Berlin und sind mit deutschen Männern verheiratet. Sinim bleibt lieber im Iran, obwohl sie per Gesetz zum Hejab, der iranischen Kleiderordnung, verpflichtet ist und als leidenschaftliche Sängerin nicht öffentlich auftreten darf. “Im Iran gibt es noch viel zu tun”, so ihre Begründung. In der anstehenden Präsidentschaftswahl Mitte Juni sieht sie allerdings keine Chance auf schnelle Veränderungen seitens der Politik. Der vom Volk gewählte Präsident und seine Regierung haben eher repräsentativen Charakter. Entscheidungen treffen die Mullahs, religiöse Machthaber höheren Alters, die im Hintergrund die Fäden in der Hand halten.
Sinim liebt ihre Religion, die Kultur und vielfältige Vergangenheit ihres Landes. Das merkt man ihr an. Sie würde uns noch den ganzen Tag lang begleiten, aber wir haben in vier Stunden soviel Informationen aufgenommen, dass wir eine Pause brauchen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen und einem Glas Tee in einem versteckten Restaurant im Basar verabschieden wir uns von ihr. Khoda Hafez! Auf Wiedersehen! Und alles Gute!
MZ-Treffen in Isfahan
Im Hotel sind noch andere Motorradfahrer abgestiegen: das Münchener Ehepaar Cäcilia und Gunter auf ihren BMWs, die im respektablen Alter von dreiundsechzig und neunundsechzig Jahren noch mal eine dreimonatige Überlandreise in die Mongolei machen. Außerdem treffen wir Alexej aus Moskau auf seiner Honda, der überhaupt nicht verstehen kann, wieso wir uns den Ritt auf der alten Emme antun. Umso mehr versteht das Ali, ein iranischer MZ-Fan, der bei unserer Abfahrt aus Isfahan mit seiner MZ ETZ 150 vor dem Hotel wartet und unsere Mopeds bestaunt. Seine MZ-Garage ist gleich um die Ecke. Fröhlich wie ein kleiner Junge über das MZ-Treffen zeigt er uns seine Sammlung von weiteren Motorrädern aus Zschopau und sämtlicher Ersatzteile. Seine liebe Familie bereitet derweil ein Mittagessen für uns zu und eine Freundin wird geholt, um ins Englische zu übersetzen. Ihre Verhüllung in einen schwarzen Chador darf übrigens nicht täuschen: Als Taekwondo-Profi mit Kopftuch und Teammanagerin reist sie im August dieses Jahres zur Weltmeisterschaft nach Japan. Frauenpower im Iran. Kurz bevor wir weiter wollen, besteht Ali noch auf eine von ihm spendierte Tankfüllung und führt uns danach auf den richtigen Weg nach Kashan.
Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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Hoffentlich ahnt ihr, wie gut ihr es habt. Freiheit bedeutet ja auch immer, dem Anderen seine Freiheit zu lassen; und das sehen leider nicht alle Mitmenschen so.
Möget ihr weiter auch die Freiheit haben kritische Fragezeichen aufstellen zu dürfen. Selbstverständlich ist das leider nicht.
Wir fiebern jedenfalls immer mit, wann denn das nächste Lebenszeichen von euch kommt.
Auch wenn der Gips ab ist: Daumen hoch!!!
Machts weiter gut und lasst die Moppeds rollen!
Martin