Stille Woche
16. November 2016. Ich bin in Mae Sot. Und ich bin das erste Mal allein auf dieser Reise. Immerhin fühle ich mich im Hotel ganz wohl. Und der Himmel am Rande Thailands ist wolkenfrei. Ich gucke ständig auf die Uhr und rechne die Zeit um – noch sechs Stunden bis zur Zwischenlandung. Noch so und so lange bis zur Ankunft am winterlichen Flughafen. Ich kann es mir kaum vorstellen, aber bald läuft Micha zehntausend Kilometer von mir entfernt durch den ukrainischen Schnee, um seinen Vater zu beerdigen. Eine Woche lang liegt unsere Reise still. Michas Flipflops liegen in der Ecke auf dem Fliesenboden und die Motorräder parken unten vorm Balkon. Jeden Abend besucht mich ein Gecko vor der Balkontür, schnalzt herum und versucht, mich aufzumuntern.
Tage in Chiang Mai
Micha ist ermüdet und blass, als ich ihn am kleinen Flughafen in Mae Sot abhole. „Wir lassen es ganz ruhig angehen“, sage ich. Von den restlichen zwanzig Tagen in Thailand erwarten wir sowieso keine großen Abenteuer.
Als wir wenige Tage später an der burmesischen Grenze entlang weiter gen Norden aufbrechen, fahren wir durch ein ganz anderes Asien: Straßen, Häuser, Geschäfte, Tankstellen, Baustellen – alles wirkt ordentlich und modern im Vergleich zu dem, was wir die letzten Monate gesehen haben. Auf den hügeligen Landstraßen ist wenig los und das Motorradfahren eher gemütlich. Nach einem Tag im beschaulichen Ort Mae Sariang am Yuam-Fluss sind es nur wenige Fahrstunden bis zur größten Stadt Nordthailands: Chiang Mai – die Oase des Nordens. Die Straße dorthin schlängelt sich durch üppige Wälder und stößt später auf einen Highway, der uns bis in die quadratisch eingerahmte Altstadt schleust. Hier sehen wir seit langem mal wieder mehrere „westliche“ Touristen, die die lockere Stimmung dieses Ortes genießen.
Wir laden das Gepäck im Hotel ab, wechseln aus der Kluft in unsere flatterigen Sommersachen und düsen gleich weiter zum FedEx-Büro. Dort liegt wieder ein schönes Geschenk von Güsi (guesi-motorradteile.de) für uns bereit, denn nach fast 22.000 Kilometern haben beide Emmen eine ordentliche Wartung verdient. Vor allem muss meine altersschwache Hinterradfelge ersetzt und neu eingespeicht werden. Außerdem ist der Ansaugstutzen meiner MZ eingerissen und beide Tachometer sind seit der indischen Zugfahrt kaputt. Großen Dank an Güsi, der alle MZ-Ersatzteile für uns aufgetrieben hat! Nach längerem Rumfragen haben wir in Thailand auch endlich passende Enduroreifen für die Vorderräder gefunden: Marke „Cobra“, thailändisches Fabrikat, zwölf Euro das Stück.
Uns wird keinesfalls langweilig in Chiang Mai. Jeden Tag sind neue Dinge zu besorgen oder zu erledigen. Zwischendurch verlangt das Transportministerium in Bangkok auf einmal, dass wir einen thailändischen Führerschein machen, begrenzt auf die Zeit, die wir noch im Lande sind. Unsere deutsche und internationale Fahrerlaubnis werde von ihnen nicht anerkannt, heißt es plötzlich. Phil, der uns die Permits für die Einreise mit den Motorrädern besorgt hat, meinte, das ließe sich an einem Tag erledigen. Wir schnaufen. Als erstes schickt man uns für einen Gesundheitscheck ins Krankenhaus. Mit dem Zertifikat in der Tasche fahren wir auf den Emmen bei der Führerscheinstelle vor. Dort behauptet man, Führerscheine für Ausländer seien nur gestattet, wenn man in Thailand wohnt. Die lustlose Beamtin kehrt uns genervt ihren graublau uniformierten Rücken zu. So ein spezieller Führerschein ließe sich nur an der Grenze machen, an der wir eingereist seien, wimmelt sie uns in barschem Tonfall endgültig ab. Uns ist das echt zu blöd und deshalb werden wir einfach ohne weiterfahren – genau wie die zigtausende Touristen, die man ohne Hickhack auf geliehenen Mopeds durch Thailand kurven lässt.
Zurück auf der Reise
In zehn Tagen Chiang Mai haben wir außer dem Hotelhof, auf dem Micha in Ruhe schrauben konnte, kleinen Restaurants, Geschäften, Reifenbuden und einem topmodernen Krankenhaus nicht viel gesehen. Und das war auch gut so. Erst an unserem letzten Abend knattern wir hoch auf den Tempelberg Wat Phra That Doi Suthep am Rande der Stadt und genießen den Ausblick. Anne, die wir in Pakistan kennengelernt und vor ein paar Tagen wiedergetroffen haben, sowie Max und Fabian – zwei andere Überland-Biker – sind mitgekommen. Jeder von uns hatte Dinge in dieser Stadt zu erledigen und wird nun von hier aus in eine andere Richtung weiterreisen.
Am nächsten Morgen setzen wir uns auf zwei geschniegelte Emmen und steuern nacheinander die kleinen Orte Phayao, Nan, Nampat und Loei an. Langsam kehren wir wieder in unseren Reiserhythmus zurück. Die schönsten Tage verbringen wir in Nan – bei Nanti und ihrem Minihund Mini. Sie hat uns ein Zimmer in ihrem Holzhaus vermietet, in dem wir uns sofort zuhause fühlen. Nanti ist so herrlich unkompliziert und fröhlich. Das steckt an. Als wir nachmittags von unserer allerersten Thaimassage zurückkommen, hat sie einen Zettel an unsere Zimmertür gehängt: „Tonight at 7 p.m. I want to invite you for dinner“. Nach diesem netten Abend am Esstisch bedauern wir es doppelt, dass wir nicht länger hierbleiben können. Denn der Monat, in dem wir mit den Emmen in Thailand bleiben dürfen, ist fast um. Am 10. Dezember fahren wir nördlich von Loei am Mekong entlang nach Laos ein. Und dort lauern garantiert wieder ein paar Abenteuer.
> So geht`s weiter: Laos: Mekong, Berge, Bombenkrater
< Vorherige Reisegeschichte
Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad
Hallo ihr 2,
während ich überlege, was ich diesmal schreibe, entdeckt Heiko in der Motorrad- Ausgabe 04
Euren Artikel über Myanmar von 2015. Die Zeitschrift heben wir natürlich für Euch auf.
So das war diesmal der etwas andere Kommentar von uns.
Viele Grüße von Eva und Heiko
Bin gerade zufällig auf eure Seite geraden und lese begeistert eure Reiseberichte. Ich bin schon 66 Jahre alt und fahre seit 42 Jahren mit MZ Motorrädern durch mein Leben. Sie haben mich nie im Stich gelassen. Ein paar mal wurde ich untreu, SR 500 R65 XS650, aber ich bin immer wieder zur Emmie zurückgekehrt. Sie hat mir immer verziehen. Bin mit Gysie im MZ Gespann mal durch die Sahara gefahren, vieleicht hat er euch davon erzählt .Eure Reise ist eine wunderschöne Lektüre zum Träumen von der schönen Welt .Ich Wünsche euch viel Glück auf eurer weiteren Reise.
Josef Zant
Hallo Ihr „Weltenbummler“
wir lesen immer sehr gespannt eure Reiseberichte und bewundern euren Mut für euer Abenteuer.
Wir wünschen euch weiterhin noch viele schöne Begegnungen auf eurer Reise.
Liebe Grüße Angela&Jörg
Hallo Suse und Micha,
Wir können kaum glauben, was ihr so erlebt mit euren Motorädern. Thailand war für uns mit dem Fahrrad eines der einfachsten und unkompliziertesten Reiseländer.
Die Visa-Beantragung für 60 Tage in Kota Bharu (Malaysia) bestand aus dem Ausfüllen des Antrages und des Abholens am nächsten Tag.
Die Einreise bestand aus dem Abstempeln der Reisepässe – Das war’s.
Vielleicht solltet ihr eure nächste Reise auch mit dem Fahrrad unternehmen. Wie Sören aus Leipzig bewiesen hat, ist man ja sogar schneller als mit dem Motorad 🙂
Wir können das Reisen mit dem Fahrrad jedenfalls sehr empfehlen und geniessen es jeden Tag.
Die Geschichte mit dem Führerschein ist der Hammer. In Thailand fahren die Kinder bereits mit dem Scooter und die haben bestimmt keinen Führerschein. Wie hat euch denn das Ministerium überhaupt erreichen können?
Das schöne an solchen Erlebnissen ist, man vergisst es nicht mehr und es macht das Reisen interessant 🙂
Wir wünschen euch weiterhin viel Spaß und Gelassenheit
Liebe Grüße
Ute und Eddy
Hallo ihr zwei Reisenden,
Hab mich lang nicht gemeldet ,das Leben hat immer wieder Überraschungen bereit.
Leider nicht nur schöne,wie ihr selber erfahren musstet.
Habe mehrere Berichte hintereinander gelesen ,da bekommt man richtig Respekt für eure Leistung
und dem riesigen Abenteuer.
Wünsche weiterhin viel Spaß und liebe Menschen auf der Reise.
Gruß Lupo