Georgien – eMMenreiter Reiseabenteuer auf alten MZ-Motorrädern Thu, 08 Feb 2018 06:27:50 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.0.2 /wp-content/uploads/2015/03/reise-551a6390v1_site_icon-32x32.png Georgien – eMMenreiter 32 32 Georgien – Zwischen den Welten /georgien-2016/ /georgien-2016/#comments Thu, 23 Jun 2016 18:58:55 +0000 /?page_id=8116 Kasbegi-Junge

Junge in Kasbegi, Georgien 2016 © emmenreiter.de

Durch die Georgischen Täler

„Was bitte wollt ihr in Georgien?!“ hat unser türkischer Gastvater Mehmet gleich mehrmals gefragt. Eine Antwort, die ihn milde stimmt, haben wir nicht parat. Micha und ich sind uns im Stillen allerdings einig, dass wir nichts zu befürchten haben. Im Gegenteil.
Etwas wehmütig sagen wir Mehmet am Morgen des 9. Junis Aufwiedersehen und fahren über Borçka und Artvin auf einer herrlichen Berg- und Talstrecke bis nach Şavşat. Diese Region der Türkei, auch bekannt als Georgische Täler, gehörte einst Georgien. Nicht weit hinter Artvin und der gigantischen Deriner-Talsperre, als wir genüsslich eine enge Schlucht entlang cruisen, hört sich mein Auspuff irgendwie seltsam an. Ich sehe einen Riss an der Verbindung zum Krümmer. Mit einer Schelle und Draht fixiert Micha den Auspuff provisorisch und ich hoffe, dass es im nächsten Ort einen Schweißer gibt. Ich umfahre jede Delle im Asphalt. Trotzdem bricht das Rohr schnell komplett auseinander und meine Emme verwandelt sich akustisch in eine wilde Raubkatze. Erst bin ich etwas erschrocken, aber dann gefällt mit der neue Klang. Nach 40 lauten Kilometern, kurz vor der Kleinstadt Şavşat, bremsen wir an einer ölverdunkelten LKW-Werkstatt. Der nette Chef über das Schweißgerät fackelt nicht lange. Nach einer dreiviertel Stunde kann unsere Reise mit einer wulstigen Schweißnaht am Auspuff happy weitergehen. Ich wette, mit dieser Naht schaffen wir es bis nachhause.
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Auf einem Prospekt im Hotel Laset, ein paar Kilometer hinter Şavşat, lesen wir: „Das Tal von Şavşat ist so grün, dass man am liebsten eine Kuh wäre.“ Die haben recht. Und bei Sonnenschein sieht es bestimmt noch saftiger aus. Heute Abend verhüllen Regenwolken die Bergwiesenidylle.
Am nächsten Morgen tropft es immer noch von oben, als wir bergauf in Richtung Georgien losfahren. In der Nähe der Berge um Çıldır soll es seit kurzem einen neuen, dritten Grenzübergang geben. Die Leute auf der Straße in Ardahan weisen uns nickend und mit ausgestrecktem Arm den Weg, als wir nach „Gürcistan“ fragen. Je näher wir der türkisch-georgischen Grenze kommen, desto weniger Autos sind auf der Straße. Nach einem Passanstieg fahren wir fast allein bei extrem düsterer und kühler Witterung auf einer weiten, baumfreien Hochebene einen See entlang, an dessen Ufer sich Pelikane das Gefieder putzen. Irgendwo hier soll die Grenze sein. Tatsächlich sehen wir in dieser wolkenverhängten Einsamkeit bald riesige Fahnenmasten und hellgraue Grenzgebäude am Horizont. Wir und ein georgischer Autofahrer sind die einzigen, die die Schranken passieren wollen. Den gelangweilten jungen Zollbeamten kommen wir auf unseren beladenen Motorrädern gerade recht. Neugierig und freundlich bitten sie uns, die Koffer zu öffnen. Um Geduld bemüht erkläre ich dem Uniformierten sämtliche Utensilien aus meinem Tankrucksack. Derweil schallt zum letzten Mal der türkische Muezzin durch die Lautsprecher. Die neugierigen Zöllner bedanken sich für die Gepäckschau und weiter geht’s zum georgischen Posten. „Das gleiche Spiel nochmal, wetten!“, sagt Micha. Die Georgier allerdings fragen mich nur nach Medikamenten. Jetzt bloß nicht die komplette Reiseapotheke ganz unten im Alukoffer durchwühlen lassen, denke ich, und lege nur die Tabletten aus der Waschtasche vor. Die werden sorgsam begutachtet und danach rollen wir auf der georgischen Landstraße nach Akhalkalaki, um als erstes billigen Sprit zu tanken. Micha und ich sind erschrocken, wie trist und verloren die einfachen Bauerndörfer am Rande Georgiens erscheinen, die wir im Regenwetter durchfahren. Das drückt auf die Stimmung.

Vorstadt: Zu Gast in Gldani

Resigniert vom miserablen Fahrwetter lenken wir die Emmen noch 180 Kilometer nach Tiflis. Die Straße ab Ninozminda über Tsalka ist immerhin in einem guten Zustand, schön gelegen und schön leer. Nur fünf Grad zeigt das Thermometer stellenweise an. „Ich bin stolz auf Dich, dass Du das mitmachst.“ tröstet mich Micha zwischendurch.
In Tiflis wollen wir unsere Freundin Ani besuchen, die wir auf unserer ersten Georgienreise vor acht Jahren kennengelernt hatten. Die Aussicht auf das Wiedersehen verbessert meine Laune. Endlich in der Hauptstadt angekommen versuchen wir auf überspülten und teils gesperrten Straßen irgendwie in den nördlichen Stadtrand, nach Gldani, zu gelangen. Wir sind dort an einer Metrostation mit Ani verabredet. Leider navigiert unser Smartphone nicht mehr, seit wir in Georgien sind. Ani und ihr Mann Schotiko gabeln uns einen Anruf später an einer Tanke auf. Erleichtert, glücklich über das Wiedersehen und ziemlich k.o. sitzen wir abends mit der Familie am reich gedeckten Tisch. Anis liebe Mutter lässt die selbst gemachten und mit Fleisch gefüllten Teigtaschen (Rhinkali) in den Kochtopf plumpsen. Mit mildem georgischen Weißwein wird unzählige Male auf unsere Reise, ein langes und gesundes Leben, auf die Frauen und Kinder angestoßen. Anis kleine Tochter lächelt uns an. Dieser Empfang ist einfach nur herzlich. Satt, müde und etwas schummerig vom Wein fallen wir mit einem wohligen Gefühl ins Bett – in einem kleinen Haus mit Garten im Vorort von Tiflis.

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Die nächsten Tage machen wir gemeinsam einen Ausflug zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, lassen uns zuhause mit georgischen Spezialitäten verwöhnen, treffen Anis Freund Gotscha wieder, reden viel über das Leben in Georgien und in Deutschland. Wir haben den Eindruck, als befinde sich das kleine Land im Kaukasus irgendwie zwischen den Welten. Wie viel Sowjetunion und Russland steckt noch in diesem Land? Was macht Georgiens traditionelle Identität aus? Und wie europäisch könnte Georgien werden? Jeder hier hofft, dass sich das Leben modernisiert. Und es verbessert sich hier und da, langsam allerdings und nicht für jeden. Der Arbeitsmarkt ist eine Katastrophe. Wir können kaum glauben, wie wenig Geld sich in Georgien verdienen lässt. Laptop, Möbel oder ein Gebrauchtwagen sind Luxusgegenstände, die lange erarbeitet werden müssen.
Nach vier Tagen im Alltag von Ani und ihrer Familie sagen wir traurig Aufwiedersehen und kehren zurück auf die Motorräder. Es geht in die östliche Region Kachetien, in die „Wiege des gelobten Weines“ – nur zwei Fahrstunden von Tiflis entfernt. Es ist spät am Nachmittag und wir sind gerade 15 Minuten unterwegs, da bemerkt Micha an der Tankstelle ein Knacken in seinem Hinterrad. Er baut es sicherheitshalber an Ort und Stelle aus. Ein Speichenkopf ist abgebrochen und rotierte in der Bremstrommel. Nach einer Stunde fahren wir wie gewohnt weiter. Nur 50 Kilometer später, als wir den Gombori-Pass (1.620 m) nach Telawi hinunterrollen, klackert Michas Hinterrad erneut.

Heiliges Kachetien: Klöster, Wein und Quellen

Morgens in Telawi. Ich werde wach vom Knarren des alten Parketts. Micha schleicht gerade durch das Haus, in dem wir übernachtet haben, und macht Fotos. Das kleine Bürgerhaus von 1940 gleicht einem Museum. Draußen blättert die Farbe von den Holzfenstern. Der glänzende Lack der alten Holzmöbel und des Flügels im Wohnzimmer sind dagegen nahezu unversehrt. Die Wände sind mit matter Farbe und einem Karomuster handverziert. An der Decke sieht man alte Wasserflecken und an der offenen Balkontür wehen lange Gardinen ins Zimmer.
Die süße Tata, 25 Jahre alt, vermietet das leerstehende Haus ihres verstorbenen Großvaters seit drei Monaten an Touristen. Er war damals ein renommierter Unternehmer und betrieb eine Autowerkstatt. In den großzügigen Räumen, die wir momentan für uns alleine haben, ist diese Zeit stehengeblieben und fast sehe ich das Hausmädchen in einer weißen Schürze über die Veranda huschen.
16 Euro kostet uns die Übernachtung in Tatas „Winehouse“ – mit bestem Blick auf die weißen Gipfel des Großen Kaukasus. Tata und ihre Freundin hatten uns bei Ankunft sehr freundlich mit Eiscreme, Keksen und Tee empfangen. „Gefällt es Euch?“ fragt Tata immer wieder und bemüht sich mit großer Gastfreundschaft darum, dass wir uns wohlfühlen. Sie deckt mittags den antiken Tisch im Wohnzimmer mit Rhinkali, Spiegeleiern, Bratkartoffeln, saftigen Tomaten und Gurken. „My present for you“, sagt sie lächelnd. Auf ihrer facebook-Seite zeigt sie uns stolz Fotos von Kleidern, die sie entworfen hat. „I am designer!“ Derzeit verschönert Tata die Fliesen im alten Außenbad des Hauses mit Farbe. Bald wird auch wieder eigener Wein im „Winehouse“ hergestellt. Aber das dauert noch ein bisschen.
Micha ist auf dem Hof den ganzen Tag dem Klackern seines Hinterrades auf der Spur. Er untersucht die Speichen. Er prüft die Radlager. Nach zwei erfolglosen Testfahrten baut er den kompletten Hinterradantrieb auseinander. Endlich hält er den vermeintlichen Übeltäter in seinen verschmierten Händen: die Distanzhülse mit angebrochenem Stehkragen. Mit der Feile bearbeitet wird die Hülse wieder eingebaut, noch der Tachoantrieb gesäubert und siehe da, das Rad dreht sich zum Glück geräuschlos.
Gelöst von der spannenden Reparatur entscheiden wir, noch zwei Tage länger an diesem netten Ort zu bleiben. Wir cruisen an großen Weinfeldern entlang zu den malerisch gelegenen Klöstern. Im Nonnenkloster Bodbe in Sighnaghi stoßen wir beim Spaziergang entlang des prächtigen Klostergartens auf eine spannende Steintreppe, die hinunter in den Wald führt. „Holy Spring“ ist darauf ausgeschildert. Nach 665 Stufen kommen wir an der heiligen Quelle an, die in einer dunklen winzigen Felsenhöhle plätschert. Vor dem Eingang drängelt sich eine kleine Traube Menschen. Sie halten weiße Tücher in den Händen. Frauen und Männer werden getrennt und nacheinander in die dunkle Höhle gelassen. Wir kaufen der Nonne, die die Quelle bewacht, ebenfalls zwei weiße Tücher ab – es sind knielange Baumwollhemden, die wir anziehen müssen, bevor wir im eiskalten Becken der Quelle dreimal abtauchen dürfen. Diesem rituellen Bad wird eine wundersame Heilwirkung nachgesagt. Frisch gebadet laufen wir die laaaange Treppe zurück nach oben – mit den tropfenden weißen Hemden in der Hand.

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Kasbegi: Dorf unter Wolken

Von Telawi aus gibt es eine Straße, die uns direkt zur Georgischen Heerstraße bringt. Von dort soll es nach Kasbegi und dann weiter nach Russland gehen. Die Einheimischen raten uns dringend, zurück nach Tiflis und von dort auf die Heerstraße zu fahren. Alle würden diesen Umweg aufgrund des Straßenzustands in Kauf nehmen. Wir wollen es dennoch auf direktem Wege versuchen.
Hinter Achmeta, 30 Kilometer von Telawi entfernt, beginnt dann tatsächlich eine Schotterpiste. Es sind nur 26 Kilometer, die wir darauf abreiten und es macht mir echt Spaß. Ab dem Ort Tianeti ist die Straße dann neu asphaltiert. Allerdings nicht lange. Dann stoßen wir auf wüste Bauarbeiten. Da es ab und an regnet, manövrieren wir die Emmen die restlichen 15 Kilometer bis zur Heerstraße über eine schmierige Motterpiste, die die Rillen unserer Enduroreifen verkleistert.

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Die Heerstraße bis Kasbegi ist heutzutage durchweg in einem guten Zustand – auch oben am Kreuzpass (2.379 m). Die Fahrt durch die Berge beeindruckt uns genauso wie damals. Da die Grenze zu Russland seit ein paar Jahren passierbar ist, ist allerdings viel mehr Verkehr unterwegs. Kurz vor Kasbegi (Stepansminda) fahren wir an einer endlosen Reihe wartender Lastwagen vorbei.
In dem kleinen Dorf, das vor bedrohlich wirkenden Bergwänden liegt und im Sommer zum Hotspot für Wandertouristen wird, übernachten wir wieder in „Maia` s Guesthouse“. Vor acht Jahren standen hier nur zwei Betten in einem riesigen leeren Zimmer und es gab ein Plumpsklo auf dem Hof. Mittlerweile hat die Familie ein Badezimmer für die Gäste gebaut und aus dem großen Raum wurden vier Zimmer. Auf dem Osthügel des Dorfes steht nun außerdem ein geschmackvolles Luxushotel und das Dorfzentrum hat ein modernes Restaurant. Ansonsten ist Kasbegi noch genauso wie wir es kennen – ein Dorf, dessen vorwiegend graue Tönung durch bunte Hoftore und überirdische Gasleitungen unterbrochen wird. Vormittags, wenn das Vieh längst auf der Weide ist, ziehen in der Regel dicke Wolken auf und verdecken die Sicht auf die Gergeti-Kirche und den Fünftausender Kasbek. Deshalb klettern wir sehr früh bei Sonnenschein und blauem Himmel eine Stunde lang zur Kirche hinauf.
Nach drei Tagen in Kasbegi, am 20. Juni, machen wir uns auf den Weg zur russischen Grenze, die nur zehn Kilometer entfernt ist. Wir sind etwas nervös, weil wir hier die erste Visa-Grenze überqueren und nicht abschätzen können, wie gut oder schlecht das Prozedere verläuft…

> So geht`s weiter: Russland: Durch Kalmückien zum Wolgadelta
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Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Georgien: Kleines Land, große Eindrücke /georgien-kaukasus/ /georgien-kaukasus/#comments Tue, 01 Jul 2008 15:12:24 +0000 /?page_id=1415 Idumala-Frauen

Bunter Anfang in Batumi

Am 23. Juni und damit rechtzeitig vor dem Halbfinale Türkei gegen Deutschland fahren wir bei Sarpi über die Grenze nach Georgien. Die Route entlang der türkischen Schwarzmeerküste war eine gute Entscheidung. Wir hatten eine schöne Zeit bei den Türken, die uns immer sehr offenherzig und hilfsbereit begegnet sind. Viele von ihnen sprechen (etwas) deutsch und lieben „Almanya”.
Am baulich stark vernachlässigten Grenzübergang auf türkischer Seite ist ziemlich viel Verkehr. Es gibt aber keine Komplikationen. Am ersten Schalter bzw. Container mit der Aufschrift „Police – Pass Control“ drängelt sich eine Traube verschwitzter und aufgeregter Menschen, die alle gleichzeitig versuchen, ihren Pass durch die kleine Luke zu drücken, hinter der zwei Polizisten äußerst stressresistent die Pässe abstempeln. Wir haben keine Wahl und drängeln und schwitzen mit. Am letzten der insgesamt vier türkischen Grenzschalter verabschieden uns die Beamten noch bester Laune und voller Vorfreude auf das kommende Fußballspiel. Ein paar Tage später wissen wir: Wir haben mit der Ausreise nach Georgien alles richtig gemacht, denn hierzulande wurde der Sieg der Mannschaft um Star „Ballacki“ kräftig bejubelt.
Von der türkischen Grenze bis nach Batumi ist es nur eine halbe Stunde Fahrt. Die georgischen Kühe sind noch cooler als ihre türkischen Verwandten und pennen hier in aller Ruhe mitten auf der Fernstraße, als wären sie taub und blind. Durchgeschwitzt bei etwa 35 Grad kommen wir im Zentrum von Batumi an und quartieren uns im kleinen Hotel Lavro ein. Schnell sind wir wieder umringt von neugierigen Männern, die uns beim Entladen der MZ zusehen und Micha dabei ausfragen. Leider hat die Stadt an diesem Tag kein Leitungswasser, aber zum Glück improvisiert der Hotelbesitzer abends mit einer kleinen Pumpe und wir gehen nach dem Abendessen am Hafen halbwegs sauber ins Bett. Nach dem Ausschlafen packen wir die Kamera ein und schlendern am nächsten Morgen durch die morbiden, charmanten, bunten Straßen. Hier gibt es keine modernen Supermärkte, sondern viele kleine Tante-Emma- und Obst-Gemüse-Läden. Manchmal dient die Garage oder der Hofdurchgang als Verkaufsstand für Schuhe oder Sonstiges. Zum späten Frühstück probieren wir in einem kleinen Café die regionale Spezialität: Katschapuri. Das ist ein Teigboot mit einer Art Fetakäse gefüllt, in das kurz vor dem Fertigbacken noch ein Ei geschlagen wird. Es hat ganz gut geschmeckt und lange satt gemacht.

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Kleiner Kaukasus: Der erste große Endurotest

Am Mittag des 25. Junis machen wir uns völlig unbedarft und bei Sonnenschein auf den 140-Kilometer-Weg nach Akhaltsikhe, und zwar durch den kleinen Kaukasus via Shuakhevi. Die Straße ist anfangs gut ausgebaut. Sehr bald geht sie in Flickenasphalt über und ab der Hälfte der Strecke beginnt dann überraschend unsere erste echte Enduroetappe. Als Hauptstraße in unserer Landkarte verzeichnet würden wir den Weg eher als ausgetrocknetes Flussbett beschreiben, das sich als felsige Serpentinen über unseren ersten echten Gebirgspass (Goderdzi) mit immerhin 2025 Metern schlängelt. Als wir die MZ im ersten Gang bergauf durchs Gelände quälen, müssen wir an unsere KTM und XT zuhause denken, die hier zweifelfrei mehr Spaß mit uns hätten. Diese Straße passieren, wie wir hinterher erfahren werden, eigentlich nur geländegängige Lastwagen oder Jeeps. Die paar wenigen Fahrzeuge, die uns entgegen kamen, haben gehupt und gewunken – wahrscheinlich, um uns Mut zu machen.
Nach dem Sechsstundentripp erreichen wir in der Dämmerung endlich die KleinstadtAkhaltsikhe und landen im komischen, verwaisten, aber scheinbar besten Hotel der Stadt – das „White House“. Hier gibt es einen sicheren Parkplatz für die gestressten MZ und einen Fernseher mit georgisch kommentiertem Halbfinale für die müden Fahrer. Vor dem Schlafengehen haben wir noch eine Schicksalsbegegnung mit der liebenswerten Anna im kleinen Magazin gegenüber, die wir ansprechen, weil sie gerade mit ihrem georgischen Kumpel Gotscha auf Deutsch telefoniert. Sie freut sich wie ein kleines Kind über die beiden Deutschen, die in diesem Moment plötzlich vor ihr stehen. Anna kann es kaum fassen und lädt uns spontan auf einen Tee in ihre Wohnung gleich nebenan ein. Sie kann nicht aufhören, endlich wieder richtig deutsch zu sprechen. Bis vor ein paar Monaten war sie drei Jahre lang als AuPair in Deutschland und vermisst diese Zeit so sehr, dass ihr die Tränen in den Augen stehen. Wir haben sofort einen Draht zueinander und verabreden uns für den nächsten Morgen.

Vardzia: Spannender Ausflug in die Felsstadt

Den ganzen nächsten Tag verbringen wir mit Anna und ihrem Kumpel Gotscha, die sich extra Zeit für uns genommen haben. Zuerst fahren sie eine Dreiviertelstunde mit dem Minibus vor ins kleine Dorf Idumala nahe Aspindza, wo Annas Eltern wohnen und wir abends bleiben werden. Bis dahin folgen wir ihnen bzw. dem Bus mit unseren Motorrädern. Minibusse sind hierzulande die üblichste Art, von A nach B zu kommen. Meistens ist der Bus ein alter und stark beanspruchter Ford Transit mit Platz für 14 bis 20 Mann. Es gibt keinen genauen Fahrplan. Die Busse starten, wenn sie voll sind und unterwegs steigen die Leute an der Straße einfach aus oder zu. Von Idumala aus fahren wir vier gemeinsam mit dem nächsten Minibus weiter zu unserem Ausflugsziel Vardzia. Wir haben Glück und müssen kaum warten. Voll beladen mit Männern, Müttern und Kindern holpern wir noch einmal eine Dreiviertelstunde über die Schotterpiste. Zwischendurch gibt es eine kurze Pause, eines der Kinder muss kotzen.
Vardzia ist eine geschichtsträchtige und einzigartige Felsstadt oben im Berg, die im 12. Jahrhundert entstand und, so sagt man, nur durch ein geheimes Tor zugänglich war. Die Stadt kam erst viel später zum Vorschein, als ein Teil des Berges abbrach. Heute leben noch Mönche dort oben und reichen den Besuchern heiliges Wasser aus der geheimen Höhlenquelle. Wir waren sehr beeindruckt von diesem Ort und der umliegenden Landschaft.

Geogisches Dorfleben in Idumala

Zwei Nächte verbringen wir bei Anna und ihren Eltern in Idumala. Hier nutzen sie das alte Haus der Großeltern derzeit als Sommerlager. Wir genießen das familiäre, gute Abendessen und die traditionellen, uns segnenden Trinksprüche des Vaters bei selbst gemachtem Rotwein. Wir fühlen uns hier im einfachen und herzlichen Haus total wohl – mit Hund Mickey, einem Klohäuschen und der Dusche im Garten. Beim Abendspaziergang durchs Dorf mit Blick auf Fluss und Berge begegnen wir neugierigen Verwandten und Dorfbewohnern. Wir möchten uns irgendwie revanchieren für die Herzlichkeit der Familie und putzen am nächsten Tag zum Dank das Auto von Annas Vater, der sieben Tage die Woche als Bauleiter unterwegs ist und kaum Zeit für zuhause hat. Wir pflegen auch noch ein bisschen unsere MZ auf der Terrasse und brechen nach zweieinhalb Tagen leider schon wieder auf nach Borjomi, wo wir nahe der bekannten Mineralwasserquelle Station machen. Die lustige Mannschaft der Pension, in der wir unterkommen, schiebt nach Dienstschluss sicherheitshalber noch unsere beiden Packesel in den Kneipensaal. Wie Kinder setzen sie sich nacheinander auf die parkenden Motorräder und hupen, bis die Gläser auf der Theke wackeln.

Via Georgian Military Highway in den großen Kaukasus

Nächstes Ziel unseres Georgienaufenthalts ist ein zweitägiger Abstecher ins nördliche Kaukasusdorf Kazbegi (heute wieder Stepan Tsminda). Die Straße dorthin über den Jvari-Pass (2.379 m) fährt sich erholsam gut. Die fast unwirklich erscheinende Gebirgslandschaft mit ihren Schneegipfeln ist ziemlich eindrucksvoll. Wir kommen uns winzig vor zwischen den riesigen Bergen. Es ist kühl und feucht hier oben. Gerade so über den Pass gekommen, geht Micha dann das Benzin aus. Kein Mensch in Sicht. Wir hatten beide nicht ans Tanken gedacht. Wir schaffen es, bergab ins nächste Dorf vor einen Kiosk zu rollen. Hier sitzen scheinbar schon auf uns wartend zwei alte Herren an einer kleinen Zapfsäule und grinsen uns an. Erleichtert und mit vollem Tank geht’s noch ein paar Kilometer weiter nach Kazbegi. In der Dorfmitte werden wir sofort abgefangen und in die Privatunterkunft zu Maja und ihrer kleinen Familie in Gergeti geführt. Bei Maja wohnen die Gäste sehr individuell. Das Zimmer in der sonst unbewohnten zweiten Etage des Hauses ist eigentlich ein kleiner Tanzsaal mit zwei Betten. Im Preis enthalten sind ein georgisches Frühstück und Abendessen, das uns Maja zur gewünschten Zeit nach oben serviert, eine warme Dusche im Waschkeller und ein Plumpsklo neben dem Hühnerstall. Vier Monate hat Majas Familie Zeit, an den relativ vielen ausländischen Touristen, die zum Wandern und Klettern hierher kommen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ruhige Dorf ist umringt von Bergketten, die wie Riesenwände vor uns stehen. Wir können am Abend kurz den legendären Kazbegiberg sehen. Über 5.000 Meter hoch ist er oft von Wolken verdeckt. Am kommenden Morgen ist eigentlich „Im-Bett-bleiben-Wetter“. Eine tiefe Wolkendecke versperrt die Sicht. Wir ziehen uns die Regenjacken an und wollen zusammen mit einem anderen jungen Paar hoch auf den Berg, wo die kleine 600 Jahre alte Tsminda Sameba Kirche steht. Die ist so was wie ein Wahrzeichen für die Georgier. Ein Bekannter von Maja fährt uns vier in seinem Lada Niva den krassen Panzerweg hinauf. Unglaublich, wie das alte Auto den Weg geschafft hat. Wir sind so froh, dass wir nicht die MZ genommen haben und zaubern unserem Chauffeur ein breites Grinsen in sein markantes, faltiges Gesicht, als wir uns – wieder zurück im Dorf – mit „otschen karascho maschina“ bei ihm verabschieden. Mit einem Besuch im sonst unbesuchten Alexander Kazbegi Museum beenden wir unser Touriprogramm.

Ein dreiviertel Tag in Tibilisi

Nach Kazbegi haben wir leider nur noch weniger als einen Tag für Tibilisi, bevor es zur aserbaidschanischen Grenze geht. Die Visatermine sitzen uns leider ein bisschen im Nacken. Wir haben einen Tipp für eine nette Unterkunft im Zentrum bekommen. Wir sind zwar in der Hauptstadt, aber leider finden wir hier kein einziges Straßenschild und nirgends einen Wegweiser! Zum Glück sprechen wir zwei sehr nette Männer an der Tankstelle an, die uns mit ihrem Auto direkt bis vor die Haustür leiten. Bei dieser Stadtfahrt haben wir schnell die wenigen Verkehrsregeln der Tibiliser gelernt: 1. im Allgemeinen herrscht Rechtsverkehr, 2. Fahrspuren existieren nur spontan und lösen sich genauso schnell wieder auf und 3. drängeln, hupen, drängeln…
Leider sind schon alle Zimmer der charmanten Pension von einer Studentengruppe aus den USA belegt. Viele junge Amis sind derzeit in Georgien unterwegs. Die US-Regierung unterstützt sie mit Stipendien. Wir schlagen also unser Zelthäuschen im Hinterhof auf, nehmen eine lange Dusche, erledigen ein paar Dinge im Internetcafé und fahren abends mit dem Taxi zum Teigtaschenessen in die Altstadt. Das war`s dann auch schon mit Tibilisi. Am Morgen des 2. Julis lassen wir uns von einem Taxifahrer sicher aus der Stadt führen und kommen nach zweieinhalb Stunden an der Grenze zu Aserbaidschan an. Schon wieder verlassen wir ein Land, an das wir uns gerade erst gewöhnt hatten. Georgien ist landschaftlich traumhaft und sehr abwechslungsreich. Gastfreundschaft ist für die Menschen eine Selbstverständlichkeit. Im ersten Moment manchmal etwas von uns irritiert, ist nach dem ersten “Garmadschoba” (georgische Begrüßung) sofort das Eis gebrochen. Mit unseren wenigen Russischvokabeln und dem Bildwörterbuch gelingt uns zwar keine richtige Unterhaltung, aber trotzdem entsteht sofort eine herzliche Verbindung. Obwohl uns die Georgier überall dringend vor Diebstahl gewarnt haben, hatten wir nirgends ein unsicheres Gefühl.

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