Usbekistan: Wir spüren die Seidenstraße

Puppen in Bukhara, Seidenstraße

Über die Grenze gekrochen

Als wir am 16. Juli die usbekische Grenze ohne große Hindernisse passieren, fühlen wir uns erstmals am Ende unserer Kräfte. Schwerfällig und geplagt von Bauchschmerzen schleppe ich mich durch die Kontrollstellen. Wir sehnen uns nach einem Platz zum Schlafen. Die erste Nacht im neuen Land Usbekistan verbringen wir vierzig Kilometer weiter, in Qarakol. Die Polizei hatte aus dem ersten Ort nach der Grenze verjagt, damit wir uns in Bukhara eine legale Unterkunft suchen. Bis dorthin hätte ich es nie geschafft. Das einzige kleine “Hotel“ in der nicht bemerkenswerten Stadt Qarakol ist gruselig. Wir kommen dort im Dunkeln an und lassen uns in eine stillgelegte Ruine führen. Draußen Schlafen wäre angenehmer, aber die Mücken würden uns zerfressen. Wir legen uns sofort auf den Fußboden des stickigen Raumes. Es stinkt nach Urin und die Schmeißfliegen düsen umher. Das Fenster lässt sich nicht öffnen. Zum Glück ist mir alles egal. Morgen ganz früh geht’s nach Bukhara.

Bukhara: Im Suhrob Barzu am Lyabi Khauz

Die alte Seidenstraßenstätte Bukhara ist eine wunderbare Belohnung, auch wenn wir mitten im zentralasiatischen Sommer sind und die Hitze am Tage kaum zu ertragen ist. Wir haben die kleine, traditionelle Privatpension Suhrob Barzu mitten in der Altstadt bezogen und atmen die kühle Luft der göttlichen Klimaanlage ein. Starker Durchfall quält uns beide. Das Zimmer ist hübsch und gemütlich und die Bauchkrämpfe lassen sich hier einigermaßen ertragen.
Wir machen ganze acht Tage Pause. Der um die Ecke liegende Lyabi-Khauz-Platz ist das touristische Zentrum der Stadt. Zwar ist es hier sehr ruhig und überschaubar, wir haben aber trotzdem nicht mit so vielen anderen Reisenden aus aller Welt gerechnet. Wir schlafen uns aus. Nach dem Frühstück besuchen wir die beeindruckenden Residenzen damaliger Herrscher oder restaurierte religiöse Stätten wie die Gräberstadt Chor Bakr. Zum frühen Abend hin bummeln wir durch Gassen und Medressen, fotografieren, plaudern so gut es geht mit Einheimischen oder anderen Reisenden. Wir kaufen Waschseife auf dem bunten, unübersichtlichen Kolhoz-Basar und werfen Blicke in die traditionellen und noch heute geförderten Werksstätten für Seidenstickerei, Malerei, Teppichweberei und Metallhandwerkskunst. Hier spüren wir endlich die alte Seidenstraßenromantik. Sobald es uns draußen zu heiß wird oder der Bauch Ärger macht, ziehen wir uns in unser klimatisiertes Zuhause zurück – zum Lesen, Schreiben, Ruhen. Zum Abendesseb probieren wir verschiedene typische Gerichte wie Plov und gehen manchmal noch ins Internetcafè.

Gespräch mit Dilbor Hasanowa

Neben den wunderbaren Sehenswürdigkeiten versuchen wir herauszufinden, wie Bukharaner heute leben. Als wir eines Nachmittags die königliche Festung Ark besichtigen, treffen wir eine ältere Frau, die am Eingang traditionelle Miniaturmalereien ihres Sohnes verkauft. Dilbor Hasanowa – eine stolze und interessierte Frau – spricht uns auf Deutsch an. Sie hat unsere Sprache jahrelang an der Universität in Bukhara unterrichtet. Heute ist sie Rentnerin, lebt von siebzig Euro Pension im Monat – das ist mehr, als andere bekommen – und unterstützt ihren 34-jährigen Sohn Bobir beim Verkauf seiner Bilder. Dilbor lädt uns am nächsten Abend zu sich nachhause ein. Sie lebt mit ihrem Sohn Bobir und seiner jungen Familie unter einem Dach. Es ist ein kleines, gemütliches Haus. Im Wohnzimmer steht eine große Holztruhe randvoll mit antiken arabischen Büchern. An der Wand hängt ein auf Leder verfasstes islamisches Gebet. Wir setzen uns gemeinsam an den mit verschiedenen regionalen Früchten gedeckten Tisch auf den Boden und fangen an zu erzählen. Wir unterhalten uns mit entspannten, zufriedenen und gebildeten Menschen, die nach dem Koran leben und sich stark in ihrer Kultur verankert fühlen. Bobir zeigt uns ein paar seiner Kunstwerke. Die Ornamente und religiösen Schriftzüge sind so fein gezeichnet, dass er vom Malen kurzsichtig geworden ist. Seine Frau serviert uns das Abendessen. Sie arbeitet heute ebenfalls als Deutschlehrerin. Beide würden sehr gerne mal nach Deutschland reisen, aber dafür reicht ihr Geld bei Weitem nicht aus. Bobir ist ersatzweise im Internet „unterwegs“ und träumt seit langem von einem realen Besuch im Dresdner „Neuen Gewölbe“. Wir hoffen, dass er sich diesen Traum vielleicht irgendwann erfüllen kann. Das wäre dann auch unsere Gelegenheit, sich für ihre bedingungslose Gastfreundschaft bei der Familie zu revanchieren.

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2 Gedanken zu “Usbekistan: Wir spüren die Seidenstraße

  1. Hallo ihr Beiden,
    Wir haben uns soeben eure neuesten Erlebnisse durchgelesen und sind wie immer tief beeindruckt davon. Wir freuen uns, dass bisher alles so gut gelaufen ist und die MZs
    euch bisher problemlos transportiert haben. Die kleinen Wewechen sind hoffentlich auskuriert und werden euch nicht allzuoft quälen. Wir sind von der Herzlichkeit der Menschen und deren Gastfreundschaft zutiefst beeindruckt (mit Ausnahmen-Fähre natürlich).Liebe Grüße auch von Oma, die eure Reiseberichte sammelt und damit das ganze Dorf an eurer Reise teilhaben lässt. Viel Glück weiterhin und gg liebe Grüsse und Küßchen Mutti und Papa

  2. Hallo, ihr Weltenbummler.
    Glücklicherweise braucht man vor dänischen Häfen nicht 19 Stunden zu ankern.
    Dafür könnt ihr jetzt schön „auf’m Teppich bleiben“ 😉
    Hoffentlich kommen Menschen und Maschinen gut durch Hitze und Staub.
    Immerhin haben wir derzeit etwas gemeinsam: Wir müssen immer mal sehen, wo wir ein freundliches WLAN bekommen.
    Daumendrück!
    Martin