{"id":11404,"date":"2017-02-10T14:55:54","date_gmt":"2017-02-10T12:55:54","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=11404"},"modified":"2020-04-04T09:08:52","modified_gmt":"2020-04-04T07:08:52","slug":"laos-mekong-berge-bombenkrater","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/laos-mekong-berge-bombenkrater\/","title":{"rendered":"Laos: Mekong, Berge, Bombenkrater"},"content":{"rendered":"
\"Mekongboote

Boote auf dem Mekong, Laos 2017 \u00a9 emmenreiter.de<\/p><\/div>\n

Sabeidie Laos!<\/h3>\n

10. Dezember 2016. Wir haben gerade den Mekong auf der Freundschaftsbr\u00fccke von Thailand nach Laos \u00fcberquert. Die Laoten nennen den fast 5.000 Kilometer langen Strom ehrw\u00fcrdig Mae Nam Khong<\/em> <\/span>\u2013 Mutter aller Fl\u00fcsse. Er wird in den n\u00e4chsten Wochen oder sogar Monaten immer wieder unseren Weg kreuzen.
\n<\/span>Am anderen Grenzufer lassen wir uns als erstes ein 30-Tage-Visa in den Pass kleben. Jetzt noch schnell zum Schalter, wo wir den Zollzettel f\u00fcr die Motorr\u00e4der bekommen, und dann hei\u00dft es „Sabaidie!“ <\/em>Laos \u2013 so gr\u00fc\u00dft man sich hierzulande. Bedanken kann man sich mit „Kop tschai lai lai“. <\/em>Doch bevor uns die niedliche Wortkette erstmals \u00fcber die Lippen kommt, lernen wir an der Grenze erst noch den Zollchef kennen. Denn die junge Laotin hinter der Scheibe des Zollh\u00e4uschens, an dem wir unsere Motorr\u00e4der deklarieren sollen, l\u00e4chelt uns nur ratlos an. Sie erhebt die Deklaration kurzerhand zur Chefsache und nun stehen wir im B\u00fcro ihres Bosses. Der l\u00e4chelt ebenfalls. Und l\u00e4chelt. Wir l\u00e4cheln zur\u00fcck. Ansonsten passiert n\u00fcscht.
\n„15 days“ sagt er irgendwann. Die Motorr\u00e4der d\u00fcrfen nur 15 Tage in Laos bleiben? Wir versuchen ihm zu erkl\u00e4ren, dass das Unsinn sei. Was bedeutet sein Dauergrinsen? Wartet der auf Geld oder was? „Ok. 30 days.“ willigt er pl\u00f6tzlich ein und winkt uns aus seinem B\u00fcro. Leider bekommen wir erst viel sp\u00e4ter den Tipp, dass wir einfach unsere Carnets h\u00e4tten vorlegen sollen. Damit h\u00e4tten die Emmen monatelang in Laos bleiben k\u00f6nnen.
\nBis in die Hauptstadt Vientiane sind es von der Grenze aus nur 20 Kilometer. Die Stadt ist \u00fcberschaubar, der Verkehr \u00e4hnlich gelassen wie im Norden Thailands. Durch die Stra\u00dfen fahren nicht nur viele asiatische Motorr\u00e4der, sondern auch eine ganze Menge modernster, fetter Jeeps. Wem geh\u00f6ren all diese teuren Autos? Und womit verdienen die Besitzer so viel Geld?
\nWir lassen unsere Mopeds stehen und bewegen uns die n\u00e4chsten Tage lieber auf geliehenen Drahteseln durch Vientiane: zum \u00e4ltesten und sch\u00f6nsten Buddha-Kloster vor Ort (Sisaket<\/em>), entlang an neueren Tempeln mit goldenen Dachkanten und durch die recht charmante Innenstadt mit ihren alt-franz\u00f6sischen H\u00e4usern. Vor dem People’s Security Museum<\/em> entdecken wir auf einer der Spazierfahrten freudig eine Emme, die als Ausstellungsst\u00fcck des Museums unter freiem Himmel leider ganz sch\u00f6n vor sich hingammelt. Die laotische Polizei war damals auf MZ ETZ 250 unterwegs!
\nWenn gegen 18 Uhr die Sonne hinter dem Mekong verschwindet, blinkt vor den Hotels und Restaurants in Vientiane die kitschige Weihnachtsdeko auf. Als wir in T-Shirts an einer Schneemannstatue vorbeilaufen wird uns klar, dass wir tats\u00e4chlich Advent haben. Deutschland schickt uns Fotos von Kr\u00e4nzen mit vier Kerzen. Das f\u00fchlt sich an, als w\u00fcrde man in seinem Sommerurlaub Weihnachtslieder singen.<\/p>\n

Durch Karstlandschaft nach „Frost“savan<\/h3>\n

Wir verlassen die Stadt in Richtung der bewaldeten Karstberge. Nur drei Stunden nach Norden kommt uns eine Traumkulisse vor die R\u00e4der. Wir halten an in Vang Vieng \u2013 nur ein kleiner Punkt auf der Landkarte, aber bei allen Laos-Touristen bekannt. Ausl\u00e4ndische Partyliebhaber hatten das einstige Bauerndorf Ende der 1990er zum geistigen Dahinschweben und Abfeiern entdeckt. Bald nannte es die internationale Presse den Ballermann S\u00fcdostasiens oder Drogenhochburg von Laos. F\u00fcr immer mehr Touristen wurde es leider auch der letzte Ort, den sie lebendig besucht haben. Daraufhin hatte die laotische Regierung vor vier Jahren dem Drama radikal ein Ende gesetzt. Heute macht man hier vor allem Rad- und Kajaktouren, geht wandern oder klettern. Wir paddeln <\/span>ebenfalls <\/span>auf einem Kajak<\/span> den Nam Xong hinunter, der durch die hohen, kegelf\u00f6rmigen Felsen verl\u00e4uft. Die Str\u00f6mung ist an einigen Stellen recht kr\u00e4ftig und es wird spannend. An den kleinen Stromschnellen m\u00fcssen wir aufpassen, das unser Boot nicht \u00fcber die fast unsichtbaren, scharfkantigen Felsen im Flussbett schrabbelt. Mit Stirnlampen am Kopf klettern wir noch in zwei der vielen schwarzen, feuchten H\u00f6hlen. Dort begegnen wir Buddhafiguren, Flederm\u00e4usen und gro\u00dfen Spinnen.
\nDas Wochenende hat begonnen und Besucher aus der Hauptstadt und asiatische Reisegruppen lassen sich in den Bars am Flussufer um Vang Vieng von schmerzhaft lauter Mukke zudr\u00f6hnen. Damit ist die Zeit gekommen, zur\u00fcck auf die Emmen zu steigen. Auf dem Weg raus aus Vang Vieng \u00fcberqueren wir eine riesige, geschotterte Freifl\u00e4che, die das Dorf der L\u00e4nge nach teilt. Es ist eine ehemalige Landebahn f\u00fcr Flugzeuge der US-Armee aus der Zeit des Vietnamkriegs. Das erste Mal werden wir mit der j\u00fcngsten Geschichte von Laos konfrontiert, was uns noch \u00f6fter passieren wird.
\nNach einer einsamen, kurvigen Bergfahrt fahren wir durch die breite, schnurgerade Stra\u00dfe der Provinzhauptstadt Phonsavan. Den Ort gibt es erst seit Ende des Vietnamkrieges und er ist sozusagen am Rei\u00dfbrett entstanden. Wir sehen Leute in dicken Jacken und M\u00fctzen auf dem Kopf herumfahren. Der heutige Tag war wolkig und die Luft ist hier auf 1.200 Metern \u00fcber dem Meer deutlich k\u00fchler als anderswo in Laos. Ziemlich k\u00fchl! Als wir abends schlafen gehen, sind wir froh \u00fcber die dicken Decken auf dem Bett. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr gefroren. Ich lasse nachts sogar meinen Pulli an. Als wir fr\u00fch aufwachen, hoffen wir, dass die Sonne bald die Terrasse vor unserem Zimmer erw\u00e4rmt. Mit Kaputze auf dem Kopf essen wir French Toast zum Fr\u00fchst\u00fcck, das ich auf dem Campingkocher gebraten habe. Der klare Himmel verspricht einen sonnigen warmen Tag und wir fahren zusammen auf einer Emme zu den mysteri\u00f6sen Riesensteinkr\u00fcgen. Auf mehreren Feldern um Phonsavan liegen sie zu hunderten in der Landschaft umher. Man hatte die gro\u00dfen Gef\u00e4\u00dfe um 1930 herum wiederentdeckt. Sie sollen vor etwa zweitausend Jahren als Graburnen gedient haben. Als wir zwischen den Kr\u00fcgen \u00fcber die Felder laufen, kommen wir auch an mehreren runden Vertiefungen im Boden vorbei. Es sind Bombenkrater. Die Gegend um Phonsavan wurde in der Zeit des Vietnamkrieges, als es auch innerhalb von Laos zu harten K\u00e4mpfen mit prokommunistischen Widerst\u00e4ndlern kam, von der US-Armee massiv angegriffen. Im kleinen Besucherzentrum in der N\u00e4he der Steinkrugfelder, das auf das Problem der unz\u00e4hligen Blindg\u00e4nger aufmerksam macht, stehen wir wortlos vor einem erschreckenden Plakat. Es zeigt eine Landkarte von Laos, die \u00fcbers\u00e4ht ist mit roten Punkten, die wie dicke Blutspritzer auf der Karte kleben. Es sind bombardierte Orte und Regionen. Laos wurde neun Jahre lang alle acht Minuten bombardiert. P<\/span>ro Einwohner waren es etwa 2,5 Tonnen an Sprengs\u00e4tzen, die hier bis 1974 f\u00f6rmlich niederregneten. Dieser unglaublich brutale Krieg fand im Geheimen statt. Micha und ich hatten bis heute keine Ahnung davon, dass Laos als meist bombardiertes Land der Welt gilt.<\/span>
\nNicht weit weg von den Steinkr\u00fcgen statten wir auf einer holprigen Piste <\/span> dem „L\u00f6ffel-Dorf“ Ban Napia einen Besuch ab. Die Menschen dort hatten aus der Not heraus damit begonnen, Kriegsschrott einzusammeln, das Aluminium einzuschmelzen und daraus L\u00f6ffel und andere Gegenst\u00e4nde herzustellen und zu verkaufen. \u00dcberall in Laos kann man sehen, wie die Laoten alte Bomben und andere \u00dcberreste des Krieges zu Alltagsgegenst\u00e4nden umfunktioniert haben \u2013 zu Hauspfeilern, Gartenz\u00e4unen, Fleischgrills, Booten, Kuhglocken, Blumenk\u00fcbeln, Lampenhaltern, Schmuck und Aschenbechern… Auf einer Reise durch dieses Land wird man dadurch immer wieder an seine j\u00fcngere Vergangenheit erinnert.
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