{"id":1415,"date":"2008-07-01T17:12:24","date_gmt":"2008-07-01T15:12:24","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=1415"},"modified":"2016-12-16T07:44:49","modified_gmt":"2016-12-16T05:44:49","slug":"georgien-kaukasus","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/georgien-kaukasus\/","title":{"rendered":"Georgien: Kleines Land, gro\u00dfe Eindr\u00fccke"},"content":{"rendered":"
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Am 23. Juni und damit rechtzeitig vor dem Halbfinale T\u00fcrkei gegen Deutschland fahren wir bei Sarpi \u00fcber die Grenze nach Georgien. Die Route entlang der t\u00fcrkischen Schwarzmeerk\u00fcste war eine gute Entscheidung. Wir hatten eine sch\u00f6ne Zeit bei den T\u00fcrken, die uns immer sehr offenherzig und hilfsbereit begegnet sind. Viele von ihnen sprechen (etwas) deutsch und lieben \u201eAlmanya\u201d.
\nAm baulich stark vernachl\u00e4ssigten Grenz\u00fcbergang auf t\u00fcrkischer Seite ist ziemlich viel Verkehr. Es gibt aber keine Komplikationen. Am ersten Schalter bzw. Container mit der Aufschrift \u201ePolice \u2013 Pass Control\u201c dr\u00e4ngelt sich eine Traube verschwitzter und aufgeregter Menschen, die alle gleichzeitig versuchen, ihren Pass durch die kleine Luke zu dr\u00fccken, hinter der zwei Polizisten \u00e4u\u00dferst stressresistent die P\u00e4sse abstempeln. Wir haben keine Wahl und dr\u00e4ngeln und schwitzen mit. Am letzten der insgesamt vier t\u00fcrkischen Grenzschalter verabschieden uns die Beamten noch bester Laune und voller Vorfreude auf das kommende Fu\u00dfballspiel. Ein paar Tage sp\u00e4ter wissen wir: Wir haben mit der Ausreise nach Georgien alles richtig gemacht, denn hierzulande wurde der Sieg der Mannschaft um Star \u201eBallacki\u201c kr\u00e4ftig bejubelt.
\nVon der t\u00fcrkischen Grenze bis nach Batumi ist es nur eine halbe Stunde Fahrt. Die georgischen K\u00fche sind noch cooler als ihre t\u00fcrkischen Verwandten und pennen hier in aller Ruhe mitten auf der Fernstra\u00dfe, als w\u00e4ren sie taub und blind. Durchgeschwitzt bei etwa 35 Grad kommen wir im Zentrum von Batumi an und quartieren uns im kleinen Hotel Lavro ein. Schnell sind wir wieder umringt von neugierigen M\u00e4nnern, die uns beim Entladen der MZ zusehen und Micha dabei ausfragen. Leider hat die Stadt an diesem Tag kein Leitungswasser, aber zum Gl\u00fcck improvisiert der Hotelbesitzer abends mit einer kleinen Pumpe und wir gehen nach dem Abendessen am Hafen halbwegs sauber ins Bett. Nach dem Ausschlafen packen wir die Kamera ein und schlendern am n\u00e4chsten Morgen durch die morbiden, charmanten, bunten Stra\u00dfen. Hier gibt es keine modernen Superm\u00e4rkte, sondern viele kleine Tante-Emma- und Obst-Gem\u00fcse-L\u00e4den. Manchmal dient die Garage oder der Hofdurchgang als Verkaufsstand f\u00fcr Schuhe oder Sonstiges. Zum sp\u00e4ten Fr\u00fchst\u00fcck probieren wir in einem kleinen Caf\u00e9 die regionale Spezialit\u00e4t: Katschapuri. Das ist ein Teigboot mit einer Art Fetak\u00e4se gef\u00fcllt, in das kurz vor dem Fertigbacken noch ein Ei geschlagen wird. Es hat ganz gut geschmeckt und lange satt gemacht.<\/p>\n\n
Am Mittag des 25. Junis machen wir uns v\u00f6llig unbedarft und bei Sonnenschein auf den 140-Kilometer-Weg nach Akhaltsikhe, und zwar durch den kleinen Kaukasus via Shuakhevi. Die Stra\u00dfe ist anfangs gut ausgebaut. Sehr bald geht sie in Flickenasphalt \u00fcber und ab der H\u00e4lfte der Strecke beginnt dann \u00fcberraschend unsere erste echte Enduroetappe. Als Hauptstra\u00dfe in unserer Landkarte verzeichnet w\u00fcrden wir den Weg eher als ausgetrocknetes Flussbett beschreiben, das sich als felsige Serpentinen \u00fcber unseren ersten echten Gebirgspass (Goderdzi) mit immerhin 2025 Metern schl\u00e4ngelt. Als wir die MZ im ersten Gang bergauf durchs Gel\u00e4nde qu\u00e4len, m\u00fcssen wir an unsere KTM und XT zuhause denken, die hier zweifelfrei mehr Spa\u00df mit uns h\u00e4tten. Diese Stra\u00dfe passieren, wie wir hinterher erfahren werden, eigentlich nur gel\u00e4ndeg\u00e4ngige Lastwagen oder Jeeps. Die paar wenigen Fahrzeuge, die uns entgegen kamen, haben gehupt und gewunken \u2013 wahrscheinlich, um uns Mut zu machen.
\nNach dem Sechsstundentripp erreichen wir in der D\u00e4mmerung endlich die KleinstadtAkhaltsikhe und landen im komischen, verwaisten, aber scheinbar besten Hotel der Stadt \u2013 das \u201eWhite House\u201c. Hier gibt es einen sicheren Parkplatz f\u00fcr die gestressten MZ und einen Fernseher mit georgisch kommentiertem Halbfinale f\u00fcr die m\u00fcden Fahrer. Vor dem Schlafengehen haben wir noch eine Schicksalsbegegnung mit der liebenswerten Anna im kleinen Magazin gegen\u00fcber, die wir ansprechen, weil sie gerade mit ihrem georgischen Kumpel Gotscha auf Deutsch telefoniert. Sie freut sich wie ein kleines Kind \u00fcber die beiden Deutschen, die in diesem Moment pl\u00f6tzlich vor ihr stehen. Anna kann es kaum fassen und l\u00e4dt uns spontan auf einen Tee in ihre Wohnung gleich nebenan ein. Sie kann nicht aufh\u00f6ren, endlich wieder richtig deutsch zu sprechen. Bis vor ein paar Monaten war sie drei Jahre lang als AuPair in Deutschland und vermisst diese Zeit so sehr, dass ihr die Tr\u00e4nen in den Augen stehen. Wir haben sofort einen Draht zueinander und verabreden uns f\u00fcr den n\u00e4chsten Morgen.<\/p>\n
Den ganzen n\u00e4chsten Tag verbringen wir mit Anna und ihrem Kumpel Gotscha, die sich extra Zeit f\u00fcr uns genommen haben. Zuerst fahren sie eine Dreiviertelstunde mit dem Minibus vor ins kleine Dorf Idumala nahe Aspindza, wo Annas Eltern wohnen und wir abends bleiben werden. Bis dahin folgen wir ihnen bzw. dem Bus mit unseren Motorr\u00e4dern. Minibusse sind hierzulande die \u00fcblichste Art, von A nach B zu kommen. Meistens ist der Bus ein alter und stark beanspruchter Ford Transit mit Platz f\u00fcr 14 bis 20 Mann. Es gibt keinen genauen Fahrplan. Die Busse starten, wenn sie voll sind und unterwegs steigen die Leute an der Stra\u00dfe einfach aus oder zu. Von Idumala aus fahren wir vier gemeinsam mit dem n\u00e4chsten Minibus weiter zu unserem Ausflugsziel Vardzia. Wir haben Gl\u00fcck und m\u00fcssen kaum warten. Voll beladen mit M\u00e4nnern, M\u00fcttern und Kindern holpern wir noch einmal eine Dreiviertelstunde \u00fcber die Schotterpiste. Zwischendurch gibt es eine kurze Pause, eines der Kinder muss kotzen.
\nVardzia ist eine geschichtstr\u00e4chtige und einzigartige Felsstadt oben im Berg, die im 12. Jahrhundert entstand und, so sagt man, nur durch ein geheimes Tor zug\u00e4nglich war. Die Stadt kam erst viel sp\u00e4ter zum Vorschein, als ein Teil des Berges abbrach. Heute leben noch M\u00f6nche dort oben und reichen den Besuchern heiliges Wasser aus der geheimen H\u00f6hlenquelle. Wir waren sehr beeindruckt von diesem Ort und der umliegenden Landschaft.<\/p>\n
Zwei N\u00e4chte verbringen wir bei Anna und ihren Eltern in Idumala. Hier nutzen sie das alte Haus der Gro\u00dfeltern derzeit als Sommerlager. Wir genie\u00dfen das famili\u00e4re, gute Abendessen und die traditionellen, uns segnenden Trinkspr\u00fcche des Vaters bei selbst gemachtem Rotwein. Wir f\u00fchlen uns hier im einfachen und herzlichen Haus total wohl \u2013 mit Hund Mickey, einem Kloh\u00e4uschen und der Dusche im Garten. Beim Abendspaziergang durchs Dorf mit Blick auf Fluss und Berge begegnen wir neugierigen Verwandten und Dorfbewohnern. Wir m\u00f6chten uns irgendwie revanchieren f\u00fcr die Herzlichkeit der Familie und putzen am n\u00e4chsten Tag zum Dank das Auto von Annas Vater, der sieben Tage die Woche als Bauleiter unterwegs ist und kaum Zeit f\u00fcr zuhause hat. Wir pflegen auch noch ein bisschen unsere MZ auf der Terrasse und brechen nach zweieinhalb Tagen leider schon wieder auf nach Borjomi, wo wir nahe der bekannten Mineralwasserquelle Station machen. Die lustige Mannschaft der Pension, in der wir unterkommen, schiebt nach Dienstschluss sicherheitshalber noch unsere beiden Packesel in den Kneipensaal. Wie Kinder setzen sie sich nacheinander auf die parkenden Motorr\u00e4der und hupen, bis die Gl\u00e4ser auf der Theke wackeln.<\/p>\n
N\u00e4chstes Ziel unseres Georgienaufenthalts ist ein zweit\u00e4giger Abstecher ins n\u00f6rdliche Kaukasusdorf Kazbegi (heute wieder Stepan Tsminda). Die Stra\u00dfe dorthin \u00fcber den Jvari-Pass (2.379 m) f\u00e4hrt sich erholsam gut. Die fast unwirklich erscheinende Gebirgslandschaft mit ihren Schneegipfeln ist ziemlich eindrucksvoll. Wir kommen uns winzig vor zwischen den riesigen Bergen. Es ist k\u00fchl und feucht hier oben. Gerade so \u00fcber den Pass gekommen, geht Micha dann das Benzin aus. Kein Mensch in Sicht. Wir hatten beide nicht ans Tanken gedacht. Wir schaffen es, bergab ins n\u00e4chste Dorf vor einen Kiosk zu rollen. Hier sitzen scheinbar schon auf uns wartend zwei alte Herren an einer kleinen Zapfs\u00e4ule und grinsen uns an. Erleichtert und mit vollem Tank geht\u2019s noch ein paar Kilometer weiter nach Kazbegi. In der Dorfmitte werden wir sofort abgefangen und in die Privatunterkunft zu Maja und ihrer kleinen Familie in Gergeti gef\u00fchrt. Bei Maja wohnen die G\u00e4ste sehr individuell. Das Zimmer in der sonst unbewohnten zweiten Etage des Hauses ist eigentlich ein kleiner Tanzsaal mit zwei Betten. Im Preis enthalten sind ein georgisches Fr\u00fchst\u00fcck und Abendessen, das uns Maja zur gew\u00fcnschten Zeit nach oben serviert, eine warme Dusche im Waschkeller und ein Plumpsklo neben dem H\u00fchnerstall. Vier Monate hat Majas Familie Zeit, an den relativ vielen ausl\u00e4ndischen Touristen, die zum Wandern und Klettern hierher kommen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ruhige Dorf ist umringt von Bergketten, die wie Riesenw\u00e4nde vor uns stehen. Wir k\u00f6nnen am Abend kurz den legend\u00e4ren Kazbegiberg sehen. \u00dcber 5.000 Meter hoch ist er oft von Wolken verdeckt. Am kommenden Morgen ist eigentlich \u201eIm-Bett-bleiben-Wetter\u201c. Eine tiefe Wolkendecke versperrt die Sicht. Wir ziehen uns die Regenjacken an und wollen zusammen mit einem anderen jungen Paar hoch auf den Berg, wo die kleine 600 Jahre alte Tsminda Sameba Kirche steht. Die ist so was wie ein Wahrzeichen f\u00fcr die Georgier. Ein Bekannter von Maja f\u00e4hrt uns vier in seinem Lada Niva den krassen Panzerweg hinauf. Unglaublich, wie das alte Auto den Weg geschafft hat. Wir sind so froh, dass wir nicht die MZ genommen haben und zaubern unserem Chauffeur ein breites Grinsen in sein markantes, faltiges Gesicht, als wir uns \u2013 wieder zur\u00fcck im Dorf \u2013 mit \u201eotschen karascho maschina\u201c bei ihm verabschieden. Mit einem Besuch im sonst unbesuchten Alexander Kazbegi Museum beenden wir unser Touriprogramm.<\/p>\n
Nach Kazbegi haben wir leider nur noch weniger als einen Tag f\u00fcr Tibilisi, bevor es zur aserbaidschanischen Grenze geht. Die Visatermine sitzen uns leider ein bisschen im Nacken. Wir haben einen Tipp f\u00fcr eine nette Unterkunft im Zentrum bekommen. Wir sind zwar in der Hauptstadt, aber leider finden wir hier kein einziges Stra\u00dfenschild und nirgends einen Wegweiser! Zum Gl\u00fcck sprechen wir zwei sehr nette M\u00e4nner an der Tankstelle an, die uns mit ihrem Auto direkt bis vor die Haust\u00fcr leiten. Bei dieser Stadtfahrt haben wir schnell die wenigen Verkehrsregeln der Tibiliser gelernt: 1. im Allgemeinen herrscht Rechtsverkehr, 2. Fahrspuren existieren nur spontan und l\u00f6sen sich genauso schnell wieder auf und 3. dr\u00e4ngeln, hupen, dr\u00e4ngeln\u2026
\nLeider sind schon alle Zimmer der charmanten Pension von einer Studentengruppe aus den USA belegt. Viele junge Amis sind derzeit in Georgien unterwegs. Die US-Regierung unterst\u00fctzt sie mit Stipendien. Wir schlagen also unser Zelth\u00e4uschen im Hinterhof auf, nehmen eine lange Dusche, erledigen ein paar Dinge im Internetcaf\u00e9 und fahren abends mit dem Taxi zum Teigtaschenessen in die Altstadt. Das war`s dann auch schon mit Tibilisi. Am Morgen des 2. Julis lassen wir uns von einem Taxifahrer sicher aus der Stadt f\u00fchren und kommen nach zweieinhalb Stunden an der Grenze zu Aserbaidschan an. Schon wieder verlassen wir ein Land, an das wir uns gerade erst gew\u00f6hnt hatten. Georgien ist landschaftlich traumhaft und sehr abwechslungsreich. Gastfreundschaft ist f\u00fcr die Menschen eine Selbstverst\u00e4ndlichkeit. Im ersten Moment manchmal etwas von uns irritiert, ist nach dem ersten \u201cGarmadschoba\u201d (georgische Begr\u00fc\u00dfung) sofort das Eis gebrochen. Mit unseren wenigen Russischvokabeln und dem Bildw\u00f6rterbuch gelingt uns zwar keine richtige Unterhaltung, aber trotzdem entsteht sofort eine herzliche Verbindung. Obwohl uns die Georgier \u00fcberall dringend vor Diebstahl gewarnt haben, hatten wir nirgends ein unsicheres Gef\u00fchl.<\/p>\n
Reise-Abenteuer: Von der Haust\u00fcr zum Himalaja und zur\u00fcck Bunter Anfang in Batumi Am 23. Juni und damit rechtzeitig vor dem Halbfinale T\u00fcrkei gegen Deutschland fahren wir bei Sarpi \u00fcber die Grenze nach Georgien. Die Route entlang der t\u00fcrkischen Schwarzmeerk\u00fcste war eine gute Entscheidung. Wir hatten eine sch\u00f6ne Zeit bei den T\u00fcrken, die uns immer sehr offenherzig und hilfsbereit begegnet sind. Viele von ihnen…<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":3771,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","template":"","meta":{"ngg_post_thumbnail":0,"_links_to":"","_links_to_target":""},"tags":[373,374],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/1415"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=1415"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/1415\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/3771"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=1415"}],"wp:term":[{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=1415"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}
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