{"id":1593,"date":"2008-10-05T13:03:17","date_gmt":"2008-10-05T11:03:17","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=1593"},"modified":"2018-08-31T09:15:16","modified_gmt":"2018-08-31T07:15:16","slug":"westchina-kashgar","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/westchina-kashgar\/","title":{"rendered":"Westchina: Kurzer Transit, lange Wartezeit"},"content":{"rendered":"
\"China-Guide

Unser Begleiter auf dem China-Transit: Uigure Abdul aus Kaschgar (c) emmenreiter.de<\/p><\/div>\n

Blind Date an der Grenze<\/h3>\n

22. September 2008. Es ist Montag fr\u00fch. An der kirgisischen Grenzstation herrscht etwas Chaos. Eine verzahnte Schlange von LKW versperrt uns den \u00dcberholweg bis nach vorn an die Schranke. Einer der Brummifahrer zeigt uns ein Schlupfloch und die Beamten am Grenzgeb\u00e4ude lassen uns relativ schnell und unkompliziert passieren. Ein paar Kilometer weiter das Schild: Welcome to China! Wir fahren beim gro\u00dfen chinesischen Immigrationsgeb\u00e4ude vor und halten gespannt Ausschau nach unserem Blind Date. Nerv\u00f6se drei Stunden sp\u00e4ter als abgemacht, kommt er dann endlich auf uns zu: Abdul, bekennender Uigure und unsere vorgeschriebene Begleitung f\u00fcr den einw\u00f6chigen Chinaaufenthalt. Warum er zu sp\u00e4t ist, k\u00f6nnen wir irgendwann nur ahnen. Es ist wie gesagt Montag. Und montags l\u00e4uft vor zwei Uhr nachmittags sowieso nicht viel. Die Beamten m\u00fcssen erstmal in die G\u00e4nge kommen und der Chef der Zollbeh\u00f6rde, der als einziger unsere Motorradfreigabe unterschreiben darf, kommt gerne erst kurz vor Feierabend aus Kashgar zur Arbeit an die Grenze. Die Beamten am Irkeshtam-Pass sind offiziell f\u00fcr zwei Stunden am Vormittag im Dienst, machen dann mindestens zwei Stunden Mittagspause und setzen sich dann noch mal ganze drei Stunden an den Schalter. Hunderte von Lastwagenfahrer m\u00fcssen geduldig warten, so wie wir.<\/p>\n

Herzlichen Gl\u00fcckwunsch, China!<\/h3>\n

Wir verzeichnen einen neuen Rekord: Drei\u00dfig Stunden Wartezeit am Grenz\u00fcbergang. Die Weiterfahrt am Montag ist nicht machbar. Wir \u00fcbernachten also in einem kleinen Hotel auf dem Grenzgel\u00e4nde. Das Zimmerchen ist einfach, aber man kann sich darin aufhalten. Solange sich Abdul im Zollamt um die Freigabe unserer Motorr\u00e4der bem\u00fcht, essen wir neue w\u00fcrzige Speisen und tippen das Erlebte in den Laptop. Auf dem windigen und feinstaubigen Grenzgel\u00e4nde ist um die LKW-Schlangen herum ein slumartiges Areal entstanden mit ein paar kleinen schmuddeligen L\u00e4den, dunklen Schlafkammern und zusammengeschusterten H\u00fctten, in denen f\u00fcr wartende Fahrer auf dem Wok gekocht wird. Interessant zu beobachten, aber kein Ort, an dem wir l\u00e4nger festsitzen m\u00f6chten.
\nAm 23. September um vier Uhr nachmittags h\u00e4lt Abdul dann endlich die geduldig ergatterte Zollfreigabe in der Hand und nach drei\u00dfig Stunden Wartezeit k\u00f6nnen wir ihm folgend nach Kashgar aufbrechen. Unterwegs wird es schon dunkel und es gewittert. Wir sind froh, als wir am Hotel ankommen. Endlich k\u00f6nnen wir uns gr\u00fcndlich duschen und \u00fcberlassen den gro\u00dfen Beutel eingedreckter W\u00e4sche diesmal dem Reinigungsservice.<\/p>\n

Kaschgar: Uygurisch, chinesisch, fantastisch<\/h3>\n

Die lebendige und dabei entspannte Stadt Kaschgar gef\u00e4llt uns vom ersten Augenblick \u2013 ein Mischmasch aus Altem und Neuen, aus uigurischen und ein paar chinesischen Eigenarten. Wo man auch hinsieht, es wird nie langweilig. Da sind das gem\u00fctliche Hotelzimmer im liebevoll kitschigen Uyguren-Design, die traditionelle Id Gha Moschee, die kleinen L\u00e4den und herben Gesichter der Verk\u00e4ufer in der Altstadt, die Basare und viel besuchten qualmenden, duftenden Kochst\u00e4nde an der Stra\u00dfe. Wer es vermisst hat, kann in Kashgar auch mal wieder einen Supermarkt bestaunen.
\nKreuz und quer fahren die Kaschgarbewohner zu zweit, zu dritt auf leisen Elektrorollern durch die Stadt \u2013 die Mutter mit ihren Kindern, der Alte mit seiner Ladung Gem\u00fcse, der Gesch\u00e4ftsmann mit seiner Aktentasche. Das Licht bleibt selbst im Dunkeln aus, die Hupe aber ist im Dauereinsatz. Hunderte grellgr\u00fcner Taxis schlendern mit. Die gro\u00dfe, perfekt asphaltierte Hauptstra\u00dfe zu \u00fcberqueren wird zum Geschicklichkeitsspiel. Vern\u00fcnftigerweise sind nur vierzig km\/h erlaubt und jeder nimmt irgendwie R\u00fccksicht auf jeden.
\nChina bietet uns endlich die ersehnte kulinarische Abwechslung. Essen mit St\u00e4bchen f\u00e4llt uns leicht, dank unserer Liebe zu Sushi. Nur die extreme Chili-Sch\u00e4rfe l\u00e4hmt besonders meine Geschmacksnerven. Ich f\u00fchle mich wie ein chinesischer Feuerdrache. Als wir zum Nachtbasar gegen\u00fcber der Id Gha Moschee gehen, um dort an den exotischen Kochst\u00e4nden unser Abendessen zu genie\u00dfen, f\u00e4llt pl\u00f6tzlich in ganz Kashgar der Strom f\u00fcr ein paar Stunden aus. Wir sitzen in diesem Moment bei einer exzellent gew\u00fcrzten Br\u00fche mit gekochten Eiern und zartem H\u00fchnerfleisch. \u00dcberall werden jetzt Kerzen angez\u00fcndet, die Feuerstellen geben warmes Licht ab. Die Atmosph\u00e4re ist urig und charmant. Nach einem netten chinesischen Bier zusammen mit Michael aus Wiesbaden, den wir im Basargewusel durch Zufall getroffen haben, gehen wir zur\u00fcck auf unser Zimmer und berichten unserer Familie in Deutschland am Telefon, dass es uns hier sehr gut geht. Wir w\u00fcrden wirklich so gerne noch l\u00e4nger bleiben, aber die chinesische B\u00fcrokratie macht es uns nicht leicht damit. Die vielen Kleinigkeiten, die nicht funktionieren und unseren bem\u00fchten Begleiter Abdul scheinbar trotzdem nicht aus der Ruhe bringen, lassen wir mal weg.
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