{"id":2694,"date":"2009-05-16T20:16:23","date_gmt":"2009-05-16T18:16:23","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=2694"},"modified":"2016-12-16T07:53:30","modified_gmt":"2016-12-16T05:53:30","slug":"mit-gegenwind-in-den-iran","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/mit-gegenwind-in-den-iran\/","title":{"rendered":"Mit Gegenwind in den Iran"},"content":{"rendered":"

\"Kachelstruktur\"<\/p>\n

Abschied von Quetta<\/h3>\n

Quetta erscheint uns im Vergleich zu allen anderen St\u00e4dten in Pakistan viel ruhiger und geordneter. Obwohl es hier auch Viertel gibt, in die sich nicht einmal die Polizei traut. Ansonsten sind die Uniformierten mit der Kalaschnikow um die Schulter \u00fcberall zu sehen. Bei jedem noch so schnellen oder kurzen Gang in die pakistanische Variante des Tante-Emma-Ladens oder ins Restaurant um die Ecke, zum Brotb\u00e4cker oder Internetschuppen: Fremde sch\u00fctteln uns jedes Mal die Hand, wollen zum Tee einladen oder bieten einfach ihre Hilfe an. Einige Rikschafahrer, mit denen wir vorher erst noch eine Weile um einen fairen Fahrpreis verhandelt haben, verweigern uns bei Ankunft am Ziel dann die Bezahlung mit der Begr\u00fcndung, dass sie ebenfalls Christen seien. Auf dem Sonnenschutz hinter ihrer Windschutzscheibe klebt tats\u00e4chlich ein gl\u00e4nzend-bunter Jesusaufkleber.
\nAls wir im Telefonshop versuchen, bei der Zeitung \u201cDaily Khabrain\u201d um eine Kopie des Interviewartikels aus Rahimyar Khan zu bitten, \u00fcbernimmt Sultan \u2013 ein junger Pakistaner, der gerade daneben steht \u2013 spontan das Gespr\u00e4ch auf Urdu. Die folgende Einladung zum Abendessen in seiner Wohnung d\u00fcrfen wir nat\u00fcrlich nicht ausschlagen. Um halb Zehn sitzen wir bei ihm auf dem Teppichboden und lassen uns besonders das Dessert \u2013 Vanillepudding mit rotem Gelee \u2013 schmecken. Nebenbei erz\u00e4hlen wir ganz offen mit ihm \u00fcber seine Arbeit bei der UN-Fl\u00fcchtlingshilfe und die aktuelle, politische Situation in Pakistan. Nat\u00fcrlich will er auch alles \u00fcber das MZ-Abenteuer wissen. Als wir uns um Mitternacht mit vollem Magen verabschieden, kann unsere ehrliche Dankbarkeit f\u00fcr die nette Einladung seine offensichtliche Freude, uns zu Gast gehabt zu haben, nicht \u00fcbertreffen. Am n\u00e4chsten Vormittag fahren wir ungeduldig zum DHL-B\u00fcro in Quetta. Die Expresssendung mit den Iranvisa liegt gl\u00fccklicherweise im Regal. Morgen fr\u00fch kann uns dann nichts mehr aufhalten: Nur noch 720 Kilometer bis in den Iran. Der Engl\u00e4nder Peter auf seiner Enfield und die beiden Franzosen, die mit der Autorikscha von Kalkutta nachhause tuckern, sind bereits heute fr\u00fch von hier aus gen Iran vorausgefahren. 13. Mai. Kurz vor Sonnenaufgang. Michas Kn\u00f6chel ist noch rechtzeitig abgeschwollen und passt wieder in den Wanderschuh. Vorsichtig kickt er die Emme an\u2026Tsch\u00fcss, Quetta!<\/p>\n

Die Emmen im Sandsturm<\/h3>\n

Viele Reisende, die aus dem Iran nach Pakistan kamen, haben uns vor der schlechten Stra\u00dfe von Quetta nach Dalbandin gewarnt. Wir rechnen mit dem Schlimmsten und stellen zum Gl\u00fcck fest, dass die Bezeichnung \u201cschlechte Stra\u00dfe\u201d sehr relativ ist. Aus dem Iran kommend, ist man scheinbar ziemlich verw\u00f6hnt. Die Stra\u00dfe NH 40 schl\u00e4ngelt sich erst durch kahle Berge und geht sp\u00e4ter kilometerlang geradeaus \u2013 durch eine d\u00fcrre Landschaft und vorbei an vereinzelten, flachen Lehmh\u00fcttensiedlungen. Die Temperaturen steigen mit jeder Stunde an. In der W\u00fcstenhitze flirrt die Luft am Horizont und spiegelt den Himmel wie einen See wieder. Auf der Strecke kommen wir an mehreren Passportkontrollen zum Stehen. Die M\u00e4nner vom Checkpoint hocken in kleinen, schattigen Lehmh\u00e4uschen am Stra\u00dfenrand und spannen das Stahlseil, sobald sie die Emmen sehen. Fast immer folgt eine Einladung zum schwarzen Tee mit Zucker, die wir nicht immer annehmen k\u00f6nnen.
\n350 Kilometer und acht Stunden sp\u00e4ter erreichen wir mit trockenen M\u00fcndern das W\u00fcstenkaff Dalbandin, das ein unerwartet gutes Hotel hat. Wir tanken erstmals geschmuggeltes Benzin aus dem Iran, das aus Kanistern am Stra\u00dfenrand erh\u00e4ltlich ist. Andere Quellen au\u00dfer dem Schwarzmarkt gibt es nicht. Nach einer schw\u00fclwarmen Nacht in Dalbandin brechen wir im Morgengrauen auf zur Grenze. M\u00fcde meistern wir das erste Drittel der Etappe. Pl\u00f6tzlich sind wir hellwach: Ein kr\u00e4ftiger Sandsturm von links zwingt die Mopeds in die Schr\u00e4glage. Und es kommt noch schlimmer \u2013 der W\u00fcstenwind dreht auf frontal.
\nMit den gro\u00dfen Alukoffern haben die Motorr\u00e4der eine Aerodynamik wie eine Schrankwand. Der Gegenwind bremst die Motoren bis auf den dritten Gang aus. Nach vorn gebeugt, drehen wir w\u00fctend den Gasgriff bis zum Abschlag und schaffen trotzdem nur 55 km\/h. Der feine W\u00fcstensand kriecht unter den Helm bis ins Ohr und Verwehungen auf der Stra\u00dfe bringen die Emmen ab und an ins Schleudern. Die Fahrt von Dalbandin nach Taftan wird zu einer der schlimmsten Etappen auf der Reise. Wir schaffen es bis zum Mittag an die Grenzstation in Taftan. Der Sturm ist in einen Wind abgeflaut. Die Pakistaner im Zollhaus sind bis zur letzten Sekunde liebensw\u00fcrdig und verabschieden sich mit kalten Getr\u00e4nken, Tee und Keksen. \u201cAb da dr\u00fcben musst Du immer ein Kopftuch tragen!\u201d, lautet der letzte Satz, bevor wir durchs iranische Grenztor fahren.<\/p>\n

Ankunft im Iran: Eskorte per Anhalter<\/h3>\n

Im iranischen Passagiergeb\u00e4ude herrscht reges Treiben. Iraner und Pakistaner hieven hunderte Taschen und S\u00e4cke durch die Gep\u00e4ckkontrolle. Am Passportschalter zieht der Beamte unsere P\u00e4sse ein und l\u00e4sst nur das Wort \u201cEscort\u201d fallen. Hier spricht fast niemand Englisch \u2013 daran m\u00fcssen wir uns erst wieder gew\u00f6hnen. Und auch an den Rechtsverkehr. Wir warten etwa eine Stunde auf den so genannten Bodygard: ein 19-j\u00e4hriger, schm\u00e4chtiger Soldat \u2013 ohne Waffe, ohne Funkger\u00e4t und ohne Ahnung. Er will auf Michas MZ aufsteigen und uns die 85 Kilometer nach Zahedan begleiten. Ansonsten k\u00f6nnten wir auch sein Taxi bezahlen. Spinnt der? Kommt gar nicht in Frage!
\nWir erledigen die Zollangelegenheiten und wollen ohne Eskorte abhauen, aber keine Chance. Es startet ein Nerven aufreibendes Hin und Her -am Ende f\u00e4hrt der Typ, der uns vor Schmugglern und Entf\u00fchrern sch\u00fctzen soll, doch tats\u00e4chlich per Anhalter voraus und verschwindet aus dem Blickfeld. Wir sind den Iranern auf der Stra\u00dfe wohl zu langsam. Beim Eskortenwechsel auf halber Strecke dasselbe Theater zum zweiten Mal. Der letzte Soldat der Eskorte sitzt zwischen Schafen auf einem klapprigen Pickup, als wir hinter ihm her Stunden sp\u00e4ter in Zahedan einfahren.
\nIn Zahedan l\u00f6st die lokale Polizei die Begleitung ab \u2013 immerhin mit eigenen Fahrzeugen \u2013 und wechselt leidlich etwa alle f\u00fcnfhundert Meter. Wir sind genervt, ausgetrocknet und m\u00fcde. Von der Grenzstation bis zur Ankunft im Amin Hotel sind sechseinhalb Stunden vergangen. Bevor wir wie Steine ins Bett fallen, belohnen wir uns mit einem halben Kilogramm weichen Fetak\u00e4se auf frischem Fladenbrot. Die erste Malzeit des Tages und die Rettung des Abends.<\/p>\n

Tahereh \u2013 kurzer Lichtblick in Zahedan<\/h3>\n

Morgens wartet schon wieder die Polizei vorm Hotel, als wir aus Zahedan fliehen wollen. Auf der Suche nach einer Tankstelle wollen uns die Herren Benzin f\u00fcr das Achtfache auf dem Schwarzmarkt andrehen. Doch das Schicksal meint es gut und schickt Tahereh. Die Iranerin f\u00e4hrt zuf\u00e4llig im Auto vorbei, erkennt uns und h\u00e4lt an. Wir hatten sie und ihren Mann von Quetta aus per E-Mail kontaktiert, um sie nach einem billigen Gasthaus zu fragen. In Zahedan sind Ausl\u00e4nder n\u00e4mlich nur in den teuren Hotels erlaubt. In dem gestrigen Desaster hatten wir total vergessen, uns bei den Beiden wie verabredet zu melden, sobald wir in der Stadt angekommen sind. Versch\u00e4mt begr\u00fc\u00dfen wir Tahereh und dank ihrer Hilfe tanken wir umgehend Benzin zum subventionierten Preis \u2013 f\u00fcnfundvierzig Liter f\u00fcr umgerechnet drei Euro. Eine kurze, aber unglaublich nette Begegnung! Schade, dass wir es gestern Abend vermasselt haben. Die Eskorte dr\u00e4ngelt und will weiter. Sie wird uns noch bis Bam \u201cbesch\u00fctzen\u201d. Auf nach Bam…<\/p>\n

Reise-Abenteuer: Von der Haust\u00fcr zum Himalaja und zur\u00fcck
\nn\u00e4chste Reisegeschichte ><\/a><\/strong>
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Abschied von Quetta Quetta erscheint uns im Vergleich zu allen anderen St\u00e4dten in Pakistan viel ruhiger und geordneter. Obwohl es hier auch Viertel gibt, in die sich nicht einmal die Polizei traut. Ansonsten sind die Uniformierten mit der Kalaschnikow um die Schulter \u00fcberall zu sehen. Bei jedem noch so schnellen oder kurzen Gang in die…<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":5934,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","template":"","meta":{"ngg_post_thumbnail":0,"_links_to":"","_links_to_target":""},"tags":[381,171],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/2694"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2694"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/2694\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/5934"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2694"}],"wp:term":[{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2694"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}