{"id":2698,"date":"2009-05-25T20:18:36","date_gmt":"2009-05-25T18:18:36","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=2698"},"modified":"2016-12-16T07:46:22","modified_gmt":"2016-12-16T05:46:22","slug":"iran-lehmstaedte-und-wuestenschloesser","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/iran-lehmstaedte-und-wuestenschloesser\/","title":{"rendered":"Iran: Lehmst\u00e4dte und W\u00fcstenschl\u00f6sser"},"content":{"rendered":"

\"Kaluts-Iran_800x536\"<\/p>\n

Verkehrshindernis MZ<\/h3>\n

Die Polizei h\u00e4ngt sich wieder an uns ran, als wir Zahedan verlassen. Diesmal mit eigenen Pickups \u2013 mal kilometerweit voraus, mal ein paar Meter hinter uns. Der mehrmalige Wechsel der Eskorte klappt zum Gl\u00fcck besser als zwischen Grenzstation und Zahedan. Erstmals durchqueren wir die W\u00fcste Lut \u2013 f\u00fcr etwa zweihundert Kilometer. Unsere Emmen durchschneiden ofenhei\u00dfen Wind. Jeanshose und Motorradstiefel scheinen zu gl\u00fchen vor Hitze. Der Ring an Michas eingegipster Hand, \u00fcber die kein Handschuh passt, hinterl\u00e4sst eine richtige Brandspur am Finger. Wenn der Wind nicht von vorne kommt, fliegen wir mit 85 oder 90 km\/h \u00fcber den iranischen Asphalt. Und im Unterschied zu Pakistan und Indien sind wir damit nicht an der Spitze, sondern lahmarschige Hindernisse f\u00fcr die \u00fcberholenden Laster, Busse und Autos. Eine echte Umstellung. Fast jede iranische Frau tr\u00e4gt ein alles umh\u00fcllendes, schwarzes Gewand \u2013 den Chador. Die M\u00e4nner, die wir sehen, sind meistens „westlich“ gekleidet. Au\u00dfer die iranischen Balutschen \u2013 sie tragen wie in Pakistan und Afghanistan ihr traditionelles Shalwar Kameez und deren Frauen sind etwas farbiger gekleidet.<\/p>\n

Bam: Eine Stadt im Trauma<\/h3>\n

Wir kommen am fr\u00fchen Nachmittag in Bam an und freuen uns trotz hoher Temperaturen auf ein bisschen Entspannung. Im provisorischen Gasthaus, wo wir auch Geert aus Holland wieder treffen, empfangen uns der Besitzer Akbar und sein Sohn Mohammed mit frischem Tee und gutem Englisch. Ich darf sogar mein Kopftuch abnehmen, unter dem sich ziemlich schnell die W\u00e4rme staut.
\nUnsere Stimmung nach den ersten zwei Tagen im Iran ist etwas tr\u00fcbe. Wir haben Pakistan nicht gern verlassen und m\u00fcssen uns erst wieder an ein neues Land und seine Menschen gew\u00f6hnen. Die chaotischen Sicherheitsvorkehrungen in Zahedan waren kein gelungener Start. \u201eAb Bam k\u00f6nnt ihr den Iran viel besser genie\u00dfen\u201d, hie\u00df es. Mal sehen, ob die Stadt, die vor sechs Jahren ein so harter Schicksalsschlag getroffen hat, unser Gem\u00fct wirklich aufmuntern kann. Ein Erdbeben der St\u00e4rke 6,8 hat im Dezember 2003 um f\u00fcnf Uhr morgens die Stadt in Staub und Schutt verwandelt. Auch Bams einstiges, weltber\u00fchmtes Wahrzeichen mit den 38 T\u00fcrmen \u2013 die Lehmstadt Arg-e Bam \u2013 wurde nach zweitausend Jahren in ein paar Augenblicken dem Erdboden gleich gemacht. Wir wollen uns das Arg-Gel\u00e4nde ansehen und fahren mit den Mopeds auf neuen Stra\u00dfen dorthin. \u00dcberall in Bam wird immer noch gebaut. Die Stahltr\u00e4gerger\u00fcste der unfertigen H\u00e4user sehen etwas gespenstisch aus. Auch das Arg ist eine riesige Baustelle, aber f\u00fcr Besucher rund um die Uhr begehbar. Hier lassen sich die Ausma\u00dfe des Erdbebens nur noch erahnen. Spezialisten aus der ganzen Welt haben jede Einzelheit in der Ruine nummeriert. Am gigantischen Wiederaufbau ist auch das Ausw\u00e4rtige Amt mit seinem Kulturerhaltprogramm beteiligt.
\nNach einer kurzen Weile im G\u00e4stehaus erkennen wir leider auch die d\u00fcnne Fassade von Akbar und seinem Sohn. Sobald das Wort Erdbeben f\u00e4llt, ist die Stimmung sp\u00fcrbar deprimierend. Kein Wunder, denn wie viele \u00dcberlebende trauern sie immer noch um Familienangeh\u00f6rige und Freunde. \u201eUnser Leben ist eine Tortour\u201d, sagt Akbar. Es wird noch viele Jahre dauern, bis die Lebensfreude wieder nach Bam zur\u00fcckkehrt. Wir f\u00fchlen uns etwas unbeholfen und unwohl und machen uns daher auf die Weiterreise.<\/p>\n

Lehmstadt in Rayen<\/h3>\n

Beim Tanken in Bam gabelt uns leider schon wieder ein Polizist auf, der uns nat\u00fcrlich schnell noch eine Eskorte organisiert. Der Tankwart verkauft uns Benzin zum \u00fcblichen Schwarzmarktpreis f\u00fcr Ausl\u00e4nder, d.h. 4.000 Rial pro Liter (etwa 30 Cent). Unser Tagesziel ist Rayen \u2013 eine gr\u00fcne Kleinstadt am Fu\u00dfe des Hezar-Bergs (4420m). Das Klima hier ist herrlich und der k\u00fchle Fahrtwind ein Genuss. Die Menschen auf der Stra\u00dfe sind etwas fr\u00f6hlicher. Der nette Gastwirt mit dickem Bauch aus dem einzigen Hotel in Rayen begr\u00fc\u00dft uns mit frischen S\u00fc\u00dfkirschen aus dem Garten. Wir bleiben nur einen Tag an diesem Ort und besuchen dessen tausend Jahre alte Lehmfestung. Vor zehn Jahren wurde das so genannte Arg-e Rayen restauriert. Die Mauern und W\u00e4nde sind mit einer traditionellen Mischung aus Lehm und Stroh verputzt. Da wir au\u00dfer einer Familie aus Frankreich die einzigen Besucher sind, k\u00f6nnen wir in Ruhe die einfachen Behausungen der damaligen Bewohner, das alte Badehaus und die nobleren Gem\u00e4uer des Governeurs durchstreifen. Auf dem Weg durch die Stadt muss sich die Emme einem kleinen Rennen mit der Isch stellen. Im Iran ist der russische Zweitakter ziemlich oft zu sehen. Ratet mal, wer gewonnen hat? \n\n\n \t\t\n\t\t\t\t