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„Was ist eigentlich Holocaust?“<\/h3>\n
Am 10. Juni um neun Uhr morgens verlassen wir Masuleh. Zwei Stunden sp\u00e4ter auf der Landstra\u00dfe gen Astara hupen und winken uns ein Ehepaar und ihr siebzehnj\u00e4hriger Sohn aus Rasht beim \u00dcberholen mit dem Auto an den Stra\u00dfenrand. \u201eWoher kommt Ihr? Braucht Ihr Hilfe?\u201d Nein, aber danke der freundlichen Nachfrage. Eine halbe Stunde sp\u00e4ter treffen wir sie an der Tankstelle wieder und d\u00fcrfen nat\u00fcrlich das Benzin nicht selbst bezahlen. Sohn Mahdi \u2013 ein sehr guter Sch\u00fcler, wie seine Mutter stolz erz\u00e4hlt \u2013 spricht flie\u00dfendes Englisch: \u201eIhr seid unsere G\u00e4ste! Wo wollen wir zusammen Mittagessen?\u201d Wir fahren den netten Leuten, die ein Plakat von Musawi von innen an die Heckscheibe geklebt haben, siebzig Kilometer bis Astara hinterher. Dort gehen wir alle in ein Restaurant und sp\u00e4ter noch zum Tee ins ger\u00e4umige Wochenend-Appartement der Familie. Mahdis Vater arbeitet bei einer Investmentfirma in Rasht, seine Mutter ist Lehrerin in der Highschool. Beide kommen manchmal zum Entspannen hierher.
\nWie so oft kommt das Thema Deutschland und Hitler auf. \u201eWas genau ist eigentlich Holocaust?\u201d, wollen die drei wissen. Die iranische Regierung w\u00fcrde diesen Teil der Geschichte leugnen. Als Micha ihnen ein paar Dinge erkl\u00e4rt, sind sie unglaublich \u00fcberrascht, dass in Deutschland und Polen die viel besagten Konzentrationslager tats\u00e4chlich immer noch als Mahnmale existieren und sie jeder besichtigen kann. Nat\u00fcrlich sollen wir noch \u00fcber Nacht bei der Familie bleiben, aber wir haben keine Zeit und m\u00fcssen weiter. Der h\u00f6fliche Vater, die liebe Mutter und ihr gut erzogener Sohn f\u00fchren uns im Auto noch bis auf die richtige Stra\u00dfe an den Stadtrand von Astara und verabschieden uns wie Freunde nach Ardabil.
\nIn Ardabil tobt am Abend der B\u00e4r. Es scheint, als ist die ganze Jugend der Stadt auf der Stra\u00dfe, um ihrer Hoffnung auf neue Freiheit Luft zu machen. Mit gr\u00fcnen T\u00fcchern aus hupenden Autos feuern sie die Leute an, Musawi als neuen Pr\u00e4sidenten zu w\u00e4hlen und Abschied von Ahmadinedschad zu nehmen. An den Stra\u00dfenkreuzungen staut sich der Wahlkampfverkehr. Die Stimmung und Rufe erinnern uns stark an das Ende eines Spiels bei der Fu\u00dfballweltmeisterschaft.
\nVon Ardabil geht es nach einer Nacht in einem neuen Hotel durch eine tolle Berglandschaft weiter nach Tabriz. Vorher wechselt Micha auf dem Hotelparkplatz mal wieder zwei gebrochene Speichennippel, diesmal im Vorderrad. Vermutlich hat die Telegabel beim Unfall in Quetta doch mehr abbekommen, als gedacht. Auf dem Weg nach Tabriz m\u00fcssen wir anhalten, um uns die Regensachen \u00fcberzuziehen. Der Norden Irans hat derzeit einige heftige Regenschauer. Seit Usbekistan lagen die regendichten Klamotten ganz weit unten im Alukoffer. Wir kommen am sp\u00e4ten Nachmittag in der Stadt an und haben au\u00dfer einem Abendessen keine Lust mehr auf irgendwas. Die Fahrerei der letzen Tage ist ganz sch\u00f6n Kr\u00e4fte zehrend. Um sieben Uhr in der Fr\u00fch steuern wir auf etwa zweihundert Kilometern die Nordgrenze zur T\u00fcrkei an. Khoda Hafez, Iran!<\/p>\n
Der Iran und die Iraner: „Hello-where-are-you-from“<\/h3>\n
In ihrem Buch \u201eDer Iran \u2013 Die verschleierte Hochkultur\u201d beschreibt Andrea Claudia Hoffmann das heutige Leben und die Menschen im Iran. Wir haben viele Dinge wieder erkannt. Zum Beispiel, dass die Iraner sehr stolz auf ihre \u201carische\u201d Herkunft sind und viele die Deutschen als Arier verehren. Und dass die jungen Iranerinnen sehr wissbegierig sind. Die Mehrheit der Studierenden im Land ist weiblich, so dass die Universit\u00e4ten sogar M\u00e4nnerquoten einf\u00fchren mussten. Nat\u00fcrlich haben wir bei unserer Reise durch das ehemalige Persien noch tausend andere Dinge erfahren. Eines stand dabei ziemlich schnell fest: Dass das Bild, was die westlichen Medien vom Iran wiedergeben, tats\u00e4chlich nur einem winzigen Ausschnitt aus der Realit\u00e4t entspricht. Menschen, Kultur und Landschaften bleiben v\u00f6llig ausgeblendet. Wer wei\u00df denn schon, dass man im Iran wunderbar Skilaufen kann und Warenangebot und Infrastruktur dem im Westen in nichts nachstehen. Die Medien fokussieren lieber den Wunsch der Regierung nach einer eigenen Atombombe. Der Westen und das zum Teil zensierte Internet haben sichtbare Einfl\u00fcsse auf die pers\u00f6nlichen Einstellungen der Iraner. Gerade im aktuellen Pr\u00e4sidentschaftswahlkampf zeigt sich uns der Wunsch der vielen jungen Leute nach Freiheit und Ver\u00e4nderung. Ahmadinedschad ist bei vielen, die wir getroffen haben, wenig beliebt.
\nZur Realit\u00e4t geh\u00f6rt auch, dass die meisten Iraner, denen wir begegnet sind, sehr gastfreundliche Menschen sind, die besonders Ausl\u00e4ndern als exotische G\u00e4ste mit gro\u00dfer Neugier und Herzlichkeit gegen\u00fcbertreten. Vor allem im Norden des Landes sind wir immer wieder eingeladen und wie gute Freunde behandelt worden. Und dann durften wir auch ohne das persische H\u00f6flichkeitsspiel Ta\u2019arof, demnach Einladungen nur ernst gemeint sind, wenn sie nach dreimaligem Ablehnen immer noch ausgesprochen werden, den spontanen Angeboten zum Tee oder Essen folgen. Im ganzen Land riefen uns fremde Menschen ein auswendig gelerntes \u201eHello-where-are-you-from\u201d hinterher, um uns zu zeigen, dass wir willkommen sind. Manche Reisende m\u00f6gen auf Dauer davon genervt sein, trotzdem sollte man auch dem zehnten Willkommenhei\u00dfer am Tag ein dankendes L\u00e4cheln zur\u00fcckgeben oder ein bisschen \u201ehand-und-fu\u00df-smalltalken\u201d. Leider nur wenige Iraner k\u00f6nnen sich in englischer Sprache mit uns unterhalten. Die M\u00e4dchen jedoch stehen \u00f6fter kichernd vor uns, um ihr Schul- und Uni-Englisch auszuprobieren. Nebenbei machen sie Micha Komplimente.
\nWenn Autorin Andrea Claudia Hoffmann weiterhin schreibt, sie h\u00e4tte die unterschiedlichsten Menschen im Iran getroffen, aber nie einen Schurken, dann stimmt das nicht ganz mit unseren Erfahrungen \u00fcberein. Man trifft sie eben in jedem Land: kleine Abzocker. Respektloses Verhalten mir als Frau gegen\u00fcber haben wir im Iran allerdings nie erlebt. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass selbst im modernen Iran die Frau per Gesetz und durch moralische Vorstellungen weiter \u201ckleingehalten\u201d wird. Aber es gibt Hoffnung, denn immer mehr Iranerinnen entwickeln und entfalten ein neues Selbstbewusstsein. Inschallah!<\/p>\n
Reise-Abenteuer: Von der Haust\u00fcr zum Himalaja und zur\u00fcck
\n<\/a>n\u00e4chste Reisegeschichte ><\/a><\/strong>
\n < zur\u00fcck zur Karte<\/a><\/strong><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"Urlaub in Masuleh In dem Bergdorf Masuleh, etwa sechzig Kilometer von der kaspischen Meeresk\u00fcstenstadt Rasht entfernt, dringen wir weiter in das feuchtk\u00fchle Klima des iranischen Nordens vor. Im abgelegenen Masuleh kommen vierhundert kleine Shops auf sechshundert nette Einwohner. Warum? Der Ort hat sich in den letzten Jahren zum Tagesausflugsziel iranischer Touristen verwandelt. Und heute lebt…<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":6631,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","template":"","meta":{"ngg_post_thumbnail":0,"_links_to":"","_links_to_target":""},"tags":[381],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/2749"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2749"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/2749\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/6631"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2749"}],"wp:term":[{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2749"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}