Meymand: Wohnen wie Fred und Wilma
Zweitausend, dreitausend oder viertausend Jahre – die Iraner sind sich nicht einig, wie alt das Höhlendorf Meymand ist. Von den Kaluts aus sind wir den ganzen Tag lang dorthin unterwegs. Als wir ankommen, sind nicht viele Leute zu sehen. Das Dorf wirkt wie eine Märchenkulisse. Die wenigen Familien, die noch wie eh und je in Meymand leben, haben sich in einige der 2560 dunklen Höhlen verkrochen. Im Sommer ziehen manche Familien mit ihren Schafen in einfache Hütten auf nahe Weideflächen um.
Yaser, ein junger Familienvater und echter Meymander, fängt uns auf der ruhigen Straße ab und lädt uns in sein Höhlenhaus ein. Eigentlich suchen wir nach einem Plätzchen, wo wir unsere eigene Höhle aufstellen können, aber Yaser besteht auf unseren Besuch. Er spricht ein paar Worte Englisch und macht einen kindlich-wissbegierigen Eindruck. Seine beiden fünfjährigen Zwillingssöhne, seine Frau, Schwiegermutter, Uroma und die Henne mit ihren zehn Küken bewohnen mindestens drei Höhlen. Davon ist eine für Besucher wie uns reserviert. Wir ziehen in die Höhle ein, die tausende Jahre zuvor von Menschenhand in den Berg geschlagen wurde. Keine Ahnung, wie alt die schwere, dicke Holztür am Eingang ist. Die Decke im Innern ist schwarz vom Feuer. Auf dem Boden sind traditionelle Teppichfetzen ausgelegt. An die Felswand ist ein Lampenkabel genagelt. Es gibt also Strom und nebenan sogar einen Kühlschrank. Genauso wohnt Familie Feuerstein! Müde vom Fahrtag legen wir uns früh auf den Höhlenboden und schlafen fest ein: Gute Nacht, Fred. Gute Nacht, Wilma.
Wir schleichen den ganzen nächsten Morgen durchs Dorf und werfen erstaunliche Blicke in die verlassenen und noch bewohnten Höhlen. Die Frauen in Meymand wirken wie Fabelwesen. Die alte Salma ist gerade vom Kräutersammeln zurück und brüht uns frischen Kräutertee auf. Die Meymanderinnen sollen für ihre Kräuterkenntnisse bekannt sein. Yasers Schwiegermutter sitzt später den ganzen Abend vor unserer Höhle und backt unglaublich leckeres Brot am Feuer. Wir fühlen uns wirklich in eine andere Zeit versetzt. Trotzdem vermissen wir nichts.
Yazd: Zurück auf der Seidenstraße
Die Altstadt von Yazd – so haben wir uns iranische Städte vorgestellt. Ein Meer aus flachen Lehmziegelhäusern durchzogen mit ockerfarbenen Mauern und schmalen, krummen Gassen, in denen schwarze Gestalten in wehenden Gewändern um die Ecken huschen. Fast jeder hat uns empfohlen, im Silkroad Hotel zu übernachten. Es ist eines der stilvoll restaurierten, traditionellen Häuser in der Altstadt. Versteckt hinter einer hohen Lehmwand offenbart sich ein gemütlicher, heller Hinterhof, um dessen Brunnen in der Mitte sich die typischen, mit orientalischen Teppichen und Kissen bestückten Essbetten verteilen. Schmale Flügelholztüren an allen Seiten des Hofes führen direkt in die Gästezimmer. Empfangen werden wir von einem Pakistaner – und von Geert! Er hilft hier seit ein paar Tagen im Restaurant aus und darf so kostenlos essen und wohnen. Ohne Brille und so schniecke gekleidet in Jeans und Hemd haben wir ihn erst fast gar nicht wieder erkannt. Eine nette Überraschung. Wir ziehen aus Kostengründen (und weil es angenehm kühl ist) ins sog. Dormitory ein. Für etwa vier Euro pro Nase teilen wir uns einen Raum im Untergeschoss mit sechs anderen jungen Reisenden – aus Belgien, Holland, Indien, Mexico, Frankreich… Neue Kontakte sind eine nette Abwechslung zur Zweisamkeit.
Windtürme in Yazd: Eine coole Erfindung
Das Klima in Yazd ist erträglich. Trotzdem sind ab dem frühen Nachmittag bis sechs Uhr abends die Straßen fast leer und viele Läden verschlossen. Siesta in Yazd. Um besonders im Sommer der Hitze zu entkommen, hat man in Yazd vor langer, langer Zeit die Windtürme (Badgirs) erfunden. Sie fangen kleinste Windstöße über den Dächern der Altstadt auf und leiten sie direkt in die darunter liegenden Räume. In manchen Badgir-Varianten strömt die Luft vorher über ein Wasserbecken.
Yazd ist nicht nur bekannt für Windtürme und Seide, sondern auch das zuhause von der Mehrzahl der iranischen Zoroastrianer. Der Zoroastrismus war die Hauptreligion in Persien, bevor das Reich zum Islam konvertierte. Ihr Führer Ahura Mazda wird über das Licht angebetet – gewöhnlich über ein Feuer. Im Feuertempel in Yazd – im Ateshkadeh – brennt seit mehreren hundert Jahren symbolisch die ewige Flamme. Wir klettern auf die beiden Türme der Stille, gelegen auf zwei Felshügeln am Stadtrand von Yazd. Hier wurden bis in die Sechziger Jahre nach traditioneller Weise verstorbene Zoroastrianer den Vögeln zum Fraß dargelegt. Ein Begräbnis in der Erde oder eine Verbrennung der Leiche hätte ihrem Glauben nach der Reinheit der Elemente geschadet. Zoroastrianerinnen tragen niemals einen Chador, beugen sich aber ansonsten den weiblichen Kleidungsvorschriften (Hejab) im Iran.
Abendgebet im Bettlaken
Es ist etwas gewöhnungsbedürftig für Suse, jederzeit ans Kopftuch zu denken. Und als wir zum Abendgebet in die beeindruckende Jameh Moschee gehen, reichen nicht mal ein Kopftuch und das fast knielange Oberteil aus. Suse muss sich in ein helles Bettlaken bis zum Boden einhüllen, das ihr der Sittenwächter am Eingang behilflich über den Körper wirft. Sie hätte lieber ein Schwarzes bekommen, um nicht sofort aufzufallen. Micha darf bequem in Jeans und Shirt im Innenhof der Moschee umherschleichen, während ein alter Mann im Sprechgesang aus dem Koran liest. In Yazd lassen sich wirklich ein paar schöne Tage verbringen. Aus Indien und Pakistan kommend wirkt alles so geordnet, sauber und leise. Ein merklicher Schritt in Richtung Heimat. Salam!
Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten
Am letzten Abend in Yazd entdecken wir vorm Hotel einen geparkten Jeep mit PR-Kennzeichen. Unglaublich, noch andere Prignitzer unterwegs in Yazd?! Am Abend sitzen dann die Drei im Innenhof des Silkroad Hotels und erkennen uns dank Website sofort: Micha, Carina und Hund Roxy aus Lanz sind seit zwei Monaten im Landrover nach Indien unterwegs. Eine herzliche Umarmung – und auf einmal ist uns die Prignitz näher als der Iran. Aber es gibt auch schlechte Nachrichten. Geert erzählt uns, dass vor ein paar Tagen ein Franzose, den er in Islamabad kennen gelernt hat, in Pakistan entführt worden ist. Wahrscheinlich haben ihn Drogenschmuggler aus seinem Wohnmobil verschleppt, als er zwischen Quetta und der iranischen Grenze unterwegs war. Ein mulmiges Gefühl kommt in uns auf. Wir haben kürzlich dieselbe Strecke genommen, uns aber relativ sicher gefühlt. Die afghanischen und iranischen Grenzgebiete bergen trotz Polizeiposten an der Straße immer noch ein Risiko.
Mit neuen Flicken auf den alten, abgerittenen Jeans und endlich abgesägtem Gips an Michas Daumen machen wir uns von Yazd aus auf die Socken nach Toudeshk – ein Dorf am Rande der Wüste hundert Kilometer vor Isfahan.
Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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Tja 1 Jahr und 2 Wochen.
Und noch 2 Monate vor euch.
Ich wünsche euch auch für den Rest der Tour weiter so viel Besonnenheit wie bisher. Ich denke, ihr seid euch darüber im Klaren, dass auch bei uns noch mehr Nachrichten kursieren, als im erkehrsfunk der übliche Stau zwischen Pritzwalk und Dreieck Dosse. Haltet nur weiter die Ohren steif und den Daumen hoch, dann kommt ihr auch gut wieder nach Europa 😉
Stellt nur laufend weiter gute Bilder ins Netz; dann können wir euch auch wiedererkennen!
Und es gibt schlimmeres als ’nen gebrochenen Daumen oder Beulen am Alu-Koffer.
Beste Grüße aus dem sonnigen Hamburg
Martin
Hallo Ihr Höhlenmenschen,
Hauptsache Euch passiert nichts. Ein Menschenleben scheint da unten nicht so viel wert zu sein. In zwei Monaten wollt Ihr wieder hier sein? Passt auf Euch auf und macht keine Dummheiten.
Grüßle
Fränky
Euer treuer Begleiter im Internet
Nur noch zwei Monate!!! Die Zeit rast.
Leider muessen wir gerade lesen, dass Orte, die wir bereist haben, wieder von Extremisten oder Kriminellen heimgesucht wurden: Autobombe in Lahore, Entfuehrung eines Touristen in Balutschistan, Selbstmordanschlag auf eine Moschee in Zahedan…
Vor unserer Reise waren solche Meldungen fuer uns nur Eine unter Vielen. Heute sind wir erschuettert, denn die Menschen, die wir in diesen Orten getroffen haben, sind herzliche und gute Leute, die politische Missstaende ausbaden oder gar mit ihrem Leben bezahlen muessen.
Trotzdem: Laender wie Pakistan deshalb generell als terroristische Gefahrenzone abzustempeln ist nicht richtig und waere das falsche Signal. Wir bedauern sehr, was gerade passiert ist und koennen nur hoffen, dass sich die Lage vor Ort im Sinne der Bevoelkerung auf lange Sicht verbessert.
Micha und Suse
Hallo,Ihr Weltenbummler. Ein merklicher Schritt in Richtung Heimat- wir haben auch schon richtig Sehnsucht nach Euch, schließlich habe ich die Willkommensgirlande schon längst gekauft. Wir umarmen Euch. Tschüß . Tante Eva und Heiko