Iran: Lehmstädte und Wüstenschlösser

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Verkehrshindernis MZ

Die Polizei hängt sich wieder an uns ran, als wir Zahedan verlassen. Diesmal mit eigenen Pickups – mal kilometerweit voraus, mal ein paar Meter hinter uns. Der mehrmalige Wechsel der Eskorte klappt zum Glück besser als zwischen Grenzstation und Zahedan. Erstmals durchqueren wir die Wüste Lut – für etwa zweihundert Kilometer. Unsere Emmen durchschneiden ofenheißen Wind. Jeanshose und Motorradstiefel scheinen zu glühen vor Hitze. Der Ring an Michas eingegipster Hand, über die kein Handschuh passt, hinterlässt eine richtige Brandspur am Finger. Wenn der Wind nicht von vorne kommt, fliegen wir mit 85 oder 90 km/h über den iranischen Asphalt. Und im Unterschied zu Pakistan und Indien sind wir damit nicht an der Spitze, sondern lahmarschige Hindernisse für die überholenden Laster, Busse und Autos. Eine echte Umstellung. Fast jede iranische Frau trägt ein alles umhüllendes, schwarzes Gewand – den Chador. Die Männer, die wir sehen, sind meistens „westlich“ gekleidet. Außer die iranischen Balutschen – sie tragen wie in Pakistan und Afghanistan ihr traditionelles Shalwar Kameez und deren Frauen sind etwas farbiger gekleidet.

Bam: Eine Stadt im Trauma

Wir kommen am frühen Nachmittag in Bam an und freuen uns trotz hoher Temperaturen auf ein bisschen Entspannung. Im provisorischen Gasthaus, wo wir auch Geert aus Holland wieder treffen, empfangen uns der Besitzer Akbar und sein Sohn Mohammed mit frischem Tee und gutem Englisch. Ich darf sogar mein Kopftuch abnehmen, unter dem sich ziemlich schnell die Wärme staut.
Unsere Stimmung nach den ersten zwei Tagen im Iran ist etwas trübe. Wir haben Pakistan nicht gern verlassen und müssen uns erst wieder an ein neues Land und seine Menschen gewöhnen. Die chaotischen Sicherheitsvorkehrungen in Zahedan waren kein gelungener Start. „Ab Bam könnt ihr den Iran viel besser genießen”, hieß es. Mal sehen, ob die Stadt, die vor sechs Jahren ein so harter Schicksalsschlag getroffen hat, unser Gemüt wirklich aufmuntern kann. Ein Erdbeben der Stärke 6,8 hat im Dezember 2003 um fünf Uhr morgens die Stadt in Staub und Schutt verwandelt. Auch Bams einstiges, weltberühmtes Wahrzeichen mit den 38 Türmen – die Lehmstadt Arg-e Bam – wurde nach zweitausend Jahren in ein paar Augenblicken dem Erdboden gleich gemacht. Wir wollen uns das Arg-Gelände ansehen und fahren mit den Mopeds auf neuen Straßen dorthin. Überall in Bam wird immer noch gebaut. Die Stahlträgergerüste der unfertigen Häuser sehen etwas gespenstisch aus. Auch das Arg ist eine riesige Baustelle, aber für Besucher rund um die Uhr begehbar. Hier lassen sich die Ausmaße des Erdbebens nur noch erahnen. Spezialisten aus der ganzen Welt haben jede Einzelheit in der Ruine nummeriert. Am gigantischen Wiederaufbau ist auch das Auswärtige Amt mit seinem Kulturerhaltprogramm beteiligt.
Nach einer kurzen Weile im Gästehaus erkennen wir leider auch die dünne Fassade von Akbar und seinem Sohn. Sobald das Wort Erdbeben fällt, ist die Stimmung spürbar deprimierend. Kein Wunder, denn wie viele Überlebende trauern sie immer noch um Familienangehörige und Freunde. „Unser Leben ist eine Tortour”, sagt Akbar. Es wird noch viele Jahre dauern, bis die Lebensfreude wieder nach Bam zurückkehrt. Wir fühlen uns etwas unbeholfen und unwohl und machen uns daher auf die Weiterreise.

Lehmstadt in Rayen

Beim Tanken in Bam gabelt uns leider schon wieder ein Polizist auf, der uns natürlich schnell noch eine Eskorte organisiert. Der Tankwart verkauft uns Benzin zum üblichen Schwarzmarktpreis für Ausländer, d.h. 4.000 Rial pro Liter (etwa 30 Cent). Unser Tagesziel ist Rayen – eine grüne Kleinstadt am Fuße des Hezar-Bergs (4420m). Das Klima hier ist herrlich und der kühle Fahrtwind ein Genuss. Die Menschen auf der Straße sind etwas fröhlicher. Der nette Gastwirt mit dickem Bauch aus dem einzigen Hotel in Rayen begrüßt uns mit frischen Süßkirschen aus dem Garten. Wir bleiben nur einen Tag an diesem Ort und besuchen dessen tausend Jahre alte Lehmfestung. Vor zehn Jahren wurde das so genannte Arg-e Rayen restauriert. Die Mauern und Wände sind mit einer traditionellen Mischung aus Lehm und Stroh verputzt. Da wir außer einer Familie aus Frankreich die einzigen Besucher sind, können wir in Ruhe die einfachen Behausungen der damaligen Bewohner, das alte Badehaus und die nobleren Gemäuer des Governeurs durchstreifen. Auf dem Weg durch die Stadt muss sich die Emme einem kleinen Rennen mit der Isch stellen. Im Iran ist der russische Zweitakter ziemlich oft zu sehen. Ratet mal, wer gewonnen hat?

Mahan – zu deutsch: Vollmond

18. Mai. Ein besonderer Tag. Heute vor einem Jahr hat unser Abenteuer begonnen. 365 Tage, von denen wir keinen einzigen missen möchten. Auch nicht die, an denen uns Parasiten im Darm gequält, rauhe Pisten die Kraft geraubt oder die Hitze uns niedergeschlagen hat. Wir haben uns an ein Leben gewöhnt, in dem jeden Tag was Neues passiert. Das Jubiläum werden wir in Mahan verbringen – in der hundertsiebzig Jahre alten Karawanserei neben dem Aramgah-e Shah Ne`matollah Vali Mausoleum. Auf der Fahrt dorthin weht mal wieder ein kräftiger Wind übers iranische Land. Es ist so kalt, dass wir auf den Mopeds anfangen zu bibbern – ein Gefühl, dass wir kaum noch kennen, seit wir Deutschland verlassen haben. Zum Frühstück in Mahan kaufen wir uns leckere iranische Sauerkirschmarmelade, die wir in der Sonne sitzend mit Frischkäse auf Brot verschlingen. Die alte Karawanserei ist eigentlich nicht auf Gäste eingestellt. Trotzdem schlagen wir unser Lager in einer unmöblierten, staubigen, aber original restaurierten Kammer auf. Nach einem Rundgang auf dem Dach des Mausoleums, das uns mit seiner sandfarbigen Architektur und den türkisblauen Kacheln sofort an Usbekistan erinnert, fahren wir noch zum oasenartigen Prinzengarten am Rande von Mahan – zum Bagh-e Shahzde. Dort lädt uns eine muntere Gruppe iranischer Studenten spontan zum Picknick ein und bringt uns ein paar erste Worte Farsi bei. Wir verabschieden uns mit „Khoda Hafez!” und fahren im Sommergewitter zurück zur Karawanserei.

Kermani gleich Germany?

Von Mahan nach Kerman sind es nur 35 Kilometer – eine kurze Etappe. Die Kermaner erzählen uns, Kerman sei mit siebentausend Jahren nicht nur die älteste Stadt im Iran, sondern in der ganzen Welt. Wir glauben, dass die Stadt Yazd dasselbe behauptet. Und auf die Frage, was die Kermaner über Deutschland denken, bekommen wir die Antwort: „Kermani is Germany!” Und sie meinen es ernst: Angeblich stammt der Begriff German von Kerman (damals Cerman) ab – und die Kermaner und Deutschen gehören zur selben “Rasse”. „Wir sind Brüder, wir sind Arier!”
Wir steigen im billigen Omid Hotel nahe dem beliebten Basar-e Sartasari und der Freitagsmoschee ab. Auf über einem Kilometer Basarstraße – teilweise siebenhundert Jahre alt – findet man in den historischen, teilweise überdachten Arkaden Dinge wie traditionelle Kupferware, (meistens schwarze) Stoffe, tausend gut riechende Gewürzarten, einheimisches Gemüse, supersüße Backwaren, billig gefälschte Markensonnenbrillen und natürliche echte Kerman-Teppiche. Kerman war schon immer ein wichtiges Handelszentrum in Asien und der Basar ist nach wie vor das Herz der Stadt. Im Omid Hotel versucht uns der schmale Mann hinterm Rezeptionstisch mit einer Preisliste auf persisch ein Doppelzimmer zum doppelten Preis zu verkaufen. Zwar haben wir mittlerweile die persischen Zahlen gelernt, aber das hilft uns nicht unbedingt weiter. Mit dem Wort „Mosafer” (zu deutsch: Reisender) versuchen wir, zumindest näher an den richtigen Preis zu kommen. Denn ein meist unterbemittelter Mosafer ist etwas anderes als ein reicher Tourist.

Kaluts: Mit Hussein in die Wüste

In einer Karawanserei nahe dem Basar treffen wir Hussein Vatani – ein alter Hase im Touristengeschäft. Er überredet uns schnell zu einem spontanen Ausflug in die Wüste. Genauer in die Kaluts – ein Teil der Wüste Lut etwa hundert Kilometer von Kerman entfernt, in der die Erosion auf einer Fläche von 145 Kilometer Länge und achtzig Kilometer Breite einzigartige Gebilde aus Stein und Sand hinterlassen hat. Hohe Sandschlösser wie auf einem anderen Planeten – so weit das Auge sehen kann. Wir steigen in Husseins altes Auto, kaufen vorher zu Essen ein und fahren durch eine tolle Berglandschaft in die trockene Wüste. Dabei passieren wir erst den kältesten und dann den heißesten Teil der Kermanregion. In Schadad am Rande der Wüste gabeln wir noch Ona und Gorka aus Andorra auf. Die beiden bilden zusammen mit Hussein eine echt unterhaltsame Truppe. In der Abenddämmerung kommen wir in den Kaluts an. Der Sonnenuntergang verwandelt die Wüstenschlosslandschaft in eine unglaubliche Umgebung. Und hier mittendrin hat Hussein einen Teppich ausgebreitet und kocht nun für uns bis Mitternacht die kermanische Spezialität: Kashk o bademjun. Ein Brei aus Auberginen und anderem Gemüse mit Gorgonzola ähnlichem Weichkäse und mindestens zwanzig Knoblauchzehen verfeinert. Seit wir im Iran sind, ist das Wasser unbedenklich und die Verdauung zu unserer Freude endlich wieder normal. Aber das späte Essen zwingt mich dazu, nachts ein paar Löcher in die Wüste zu buddeln. Hussein ist leidenschaftlicher Reiseleiter – ein witziger, charmanter und keines Falls konservativer Kermaner. Gorka und er unterhalten uns im Wechsel mit Witzen. Danach schlafen wir direkt unter der Milchstraße ein – ohne Mond und ohne ein einziges Geräusch.

MZ-Ausflug zu den Sandschlössern

Zurück in Kerman treffen wir den Italiener Andrea auf seiner BMW und zwei Dänen – Maybrit und Morton – mit ihrem nagelneuen Landrover im Hotel. Mit ihnen machen wir gleich noch mal einen Trip in die Kaluts – diesmal nehmen wir die MZ mit. Der lange Anstieg über den Pass bremst die Zweitakter teilweise auf vierzig km/h aus, doch unser kleiner Konvoi bleibt brav zusammen. Eigentlich machen uns die mühevollen Aufstiege mit der Emme nichts aus, aber mit einer BMW im Rückspiegel kommt es uns vor, als würden wir auf einem sturen Esel über die Straße traben. Der Sand in der Wüste ist zum Glück ziemlich fest, so dass die Mopeds kaum ins Schleudern kommen. Selbst um sieben Uhr abends, als die Sonne schon weg ist, sind es immer noch 39 Grad. Der trockenheiße Wüstenwind ist völlig abgeflaut. Wieder schlafen wir auf Wüstensand ein und sehen riesige Sternschnuppen vom Himmel fallen. Am nächsten Morgen um Sieben trennt sich unser Konvoi: Andrea, Maybrit und Morton wollen nach Bam und Pakistan weiter. Wir düsen ab ins alte Höhlendorf Meymand.

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Ein Gedanke zu “Iran: Lehmstädte und Wüstenschlösser

  1. Lasst euch nicht ohne Not scheuchen!
    Der Sonnenuntergang ist doch traumhaft 😉
    Und selbst wenn der Landrover ein neues Modell ist, bei höheren Geschwindigkeiten müssen die sich auch anschreien.
    MZ= „In der Ruhe liegt die Kraft!“
    Wir freuen uns mit euch des Lebens. Hoffentlich gelingt es euch, so weiterzumachen.
    Viel Vergnügen!
    Martin & Co.