Südlaos: Bolaven-Plateau, Champasak und Viertausend Inseln

Mekonginseln in Südlaos

Viertausend Inseln in Südlaos: Zwischen den Inseln Don Det und Don Khon © emmenreiter.de

Bolaven-Plateau: Zum Kaffee bei Captain Hook

Stolz und happy darüber, dass die alten MZ-Motorräder den schwierigen Dschungelritt überstanden haben, kehren wir auf einen asphaltierten Abzweig des Ho-Chi-Minh-Pfads zurück. Der führt uns sanft hinauf auf das Bolaven-Plateau in etwa 1.200 Metern Höhe. Bolaven-Plateau – das klingt exotisch. Hinter dem Namen verbergen sich Dörfer besonderer Volksgruppen, Kaffeeplantagen und romantische Wasserfälle.
Auf der Hochebene angekommen, gucken wir uns in dem kleinen Dorf nahe des Wasserfalls Tad Lo zwei, drei Unterkünfte an und landen schließlich bei Samly, der uns herzlich und sogar auf Englisch empfängt. Er ist ein kleiner, drahtiger Mann in den Vierzigern. Zusammen mit seiner Familie hat er vor kurzer Zeit ein Gasthaus mit zwei einfachen Zimmern neben seinem Stelzenhaus eröffnet. Fünf Euro kostet die Übernachtung und die schöne Atmosphäre gibt es noch gratis dazu. Zwischen den Häusern lassen es sich auf dem Hof auch zwei zufrieden grunzende Schweine gut gehen, die behandelt werden, als würden sie zur Familie gehören.
Micha steht am ersten Morgen sehr früh auf und beobachtet Samly dabei, wie er mit einem Dämpftopf über der Feuerstelle gewohnheitsgemäß eine große Portion Klebreis zubereitet, den die Familie über den Tag verteilt verspeist. Der Reis wird in einer Hand zum festen Bällchen geknetet, in eine Soße getunkt oder mit einem Stück Fisch oder Laap in den Mund gesteckt. Klebreis und Laap sind das laotische Nationalgericht – geschmortes Hackfleisch, das mit frischen Minzblättern und Gewürzen zu einer Art Salat vermischt wird.
Wir wollen herausfinden, ob der angepriesene Bolaven-Kaffee tatsächlich so besonders schmeckt und machen auf der Emme einen Ausflug ins Katu-Dorf Ban Khokphoung Tai. Dort bietet Kaffeebauer Huk – oder Captain Hook, wie ihn andere Besucher vor uns einmal getauft haben – eine Kostprobe an. Huk ist 31 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Seit ein paar Jahren betreibt er eine kleine Biokaffeefarm in seinem Heimatdorf, das eine Ansiedlung von ein paar einfachen Häusern ist, die ringförmig um einen größeren Dorfplatz stehen. Die Einwohner gehören einer Ethnie an, die zur Gruppe der Katu gezählt wird. Der uralte animistische Glaube an Geister soll bei ihnen noch tief verwurzelt sein.
Wir haben unser Motorrad vor dem eingezäunten Dorfeingang abgestellt und laufen zum Haus von Captain Hook – vorbei an tobenden Kindern und an Ferkeln, die in staubigen Sandlöchern kuscheln. Hier und dort liegen auf einer kleinen, mit Holzbrettern eingerahmten Bodenfläche frisch gepflückte Kaffeefrüchte zum Trocknen aus.
Der Kaffee-Captain ist zum Glück zuhause. Er begrüßt uns mit seiner kräftig tiefen Stimme und bietet uns sogleich einen Sitzplatz unter seinem Stelzenhaus an. Wir fragen ihn, wo er so gut Englisch gelernt hat. Er habe einige Zeit in Thailand studiert, erklärt er. Dass man das Dorf verlässt, um zu studieren, ist ungewöhnlich. „Die Leute hier glauben immer noch fest daran, dass die Erde eine Scheibe ist. Und dass weiße Ausländer eine helle Haut vom Milchtrinken haben und lange Nasen, weil sie zu viel Baguette essen“, erzählt er mit vollem Ernst weiter. Dass er ins Ausland ging und dort sogar mit einer weißen Frau liiert war, hat böse Geister heraufbeschworen. Seine Eltern zwangen ihn, zurückzukehren und eine Frau aus dem Stamm der Katu zu heiraten. Nur, weil er heute die Gemeinschaft mit Einnahmen aus seiner Kaffeefarm unterstützt, wird er trotz seiner bösen Geister im Dorf geduldet.
Huk röstet jetzt ein paar Bohnen über dem Feuer und brüht in einem Bambusfilter frischen Kaffee für uns auf: einmal Arabica, einmal Robusta. Das hier sei das natürliche, volle Aroma – schonend geröstet und frei von jeder Chemie, lächelt er. „Ich weiß, dass man in Deutschland den Kaffee aus Maschinen trinkt. Aber das schadet dem Geschmack.“ Nachdem er uns von seinem guten Kaffee überzeugt hat, wandern wir mit ihm an den Bäumen seiner Plantage entlang. Er erzählt uns hundert Dinge über Kaffee, die wir noch nicht kannten. Aber was danach folgt, ist weitaus erstaunlicher.

Der Alltag seines Dorfes ist durchdrungen vom starken Glaube an gute und böse Geister, die in den Menschen selber und in den Tieren leben. Huk gibt uns einen Einblick in diese befremdliche Welt, mit der er scheinbar selbst nicht viel anfangen kann. Als wir an einer Waldlichtung am Rande des Dorfes stehen bleiben, erzählt er uns, dass dies der Frauenfriedhof sei. Hierher müssten die Mädchen und Frauen kommen, um ihr Kind zu gebären – meistens allein. Erst nach zwei oder drei Wochen dürfen Mutter und Neugeborenes heimkehren. Einen Namen erhält das Kind erst, wenn die Mutter in einer Vollmondnacht einen gewissen Traum hatte, der durch einen Dorfältesten gedeutet wird. Der richtige Traum kann Jahre auf sich warten lassen. Manchmal verstirbt die Frau bei der Geburt und ihre Leiche wird dann senkrecht auf dem Friedhof begraben.
In den Häusern leben große Familien – „dort 45 Leute und dort 69“, zeigt Huk mit dem Finger auf die Häuser. Die Männer dürften mehrere Frauen heiraten – auch solche, die noch Kinder seien. „Meine Nichte ist sieben Jahre alt und ihr Ehemann über 40“, sagt Huk ohne Aufregung. Auch manche Jungen würden bereits im Alter von sieben oder acht Jahren mit einem Mädchen verheiratet.
Unter einigen Häusern entdecken wir Särge aus Beton oder Holz. Diejenigen, die einen natürlichen Tod sterben, werden im Sarg auf einem zweiten Dorffriedhof begraben. Der Sarg wird noch zu Lebzeiten angeschafft. Auf einem dritten Friedhof landen Bewohner, die durch Gewaltanwendung oder einen Unfall verstorben sind. Denn deren Körper seien von bösen Geistern bewohnt gewesen. Die Familie des auf diese Weise Verstorbenen wird gezwungen, für mehrere Jahre das Dorf zu verlassen und im Dschungel zu leben.
Am Ende unseres Spaziergangs laufen wir quer über den rostroten Sandplatz in der Mitte des Dorfes. „Hier opfern die Leute den guten Geistern bei Vollmond ein Tier“, sagt Huk. Und um die bösen Geister zu vergraulen, würden sie in einer Zeremonie hin und wieder einen Hundewelpen festbinden und dann solange darauf eintreten, bis er tot sei. Haben wir das richtig verstanden? Micha und ich starren uns ungläubig an, während Huk bereits zu seinem Haus weitergelaufen ist. Dort nimmt er ein paar Züge aus seiner langen Bambuspfeife, wohlwissend, dass er uns mit seinen Erzählungen gerade mehrmals verwundert hat. „Bei uns wird bereits kleinen Kindern das Tabakrauchen beigebracht. Das hält böse Geister von ihnen fern“, sagt er am Ende noch. Micha zieht probeweise an der großen Pfeife und dann verabschieden wir uns vom Captain.

Sonnencremeduft in Champasak

Auf unserem Weg durch Südlaos fahren wir durch die alte Königsstadt Champasak. Heute ist der Ort wohl das hübscheste Dorf in Laos. Kleine Häuschen, ein paar alte Villen und bunte Spitzdachtempel reihen sich über ein paar Kilometer an einer schmalen Straße am Mekong entlang. Uns gefällt Champasak auf Anhieb und daher stellen wir nach einer Mittagspause unser Gepäck für drei Tage ins Gästezimmer über dem Restaurant ab.
Kurz nach Sonnenaufgang schnappen wir uns Fahrräder und radeln darauf zehn Kilometer zum Wat Phou. Die 1.500 Jahre alte Tempelanlage der Khmer gilt als Vorbild für Angkor Wat in Kambodscha. Der einstige Shiva-Tempel war damals sogar durch eine Straße mit Angkor verbunden.
Als wir in Champasak losfahren, sind gerade zwei junge Mönche auf ihrem Bettelgang unterwegs. Ihre orangenen Roben leuchten im warmen Morgenlicht. Auf der Landstraße außerhalb des Dorfes ist ansonsten kaum einer unterwegs. Gegen halb acht stehen wir am Fuße des Hügels, auf dem der Wat Phou Tempel in etwa 1,7 Kilometer Entfernung thront. Wir sind die einzigen Besucher. Eine von phallusförmigen Steinpfeilern gerahmte und mit Felsblöcken gepflasterte Straße entführt uns wie die damaligen Shiva-Pilger zum Aufstieg. Steile, gewaltige Steintreppen bringen uns immer näher an die heilige Stätte. Überreste alter Mauern und Gebäude sowie uralte, knochige Frangipanibäume säumen den Weg. Die perfekt geformten, weißen Baumblüten verteilen den geliebten Duft von Sonnencreme. Mit jeder neuen Ebene, die wir bis zur Ruine des Wat Phou erreichen, wird der Ausblick auf die weite Umgebung und die Anlage noch eindrucksvoller. Über der Landschaft vorm Horizont löst sich gerade der Frühnebel auf und die Sonnenstrahlen werden langsam kräftiger.
Oben am Tempel schleichen wir wie damalige Entdecker umher und erkunden völlig ungestört die alten religiösen Reliefe und die heilige Wasserquelle, die noch immer nicht versiegt ist. Beschwingt von der angenehmen Stimmung, die unser morgendlicher Entdeckerausflug hervorgerufen hat, gehen wir zurück in die Ebene und auf dem Rückweg nach Champasak trete ich gleich mit doppelter Kraft in die rostigen Pedalen. Im Gasthaus wartet nämlich das Frühstück.

Auf der Insel: Bouletten am Mekong

Bei der Anpassung an die landestypischen Essgewohnheiten bedeutet das Frühstück meistens die größte Umstellung für uns. Da fällt unsere Wahl oft auf Omelette oder Spiegelei. Keine Ahnung, wie viele Eier wir seit Beginn der Reise verdrückt haben.
Als wir zu den Viertausend Inseln (Si Phan Don) im südlichsten Gebiet von Laos aufbrechen, steht bereits fest, dass wir ein paar Tage bei Lutz auf der Mekonginsel Don Det einkehren werden. Lutz und seine laotische Frau vermieten hier einige Bungalows und betreiben ein kleines Restaurant (Mama Leua). „Bouletten mit Stampfkartoffeln“ stehen unter anderem auf seiner deutsch-laotischen Speisekarte. Heimat geht durch den Magen und nachdem wir seit langem mal wieder deutsche Hausmannskost genossen haben, streicheln wir in der Hängematte zufrieden unsere Bäuche. Vor unserem Bungalow badet derweil eine Herde Wasserbüffel zwischen den Verwirbelungen des grünblauen Mekongs. Irgendwo dort hinten stürzt der Fluss als ausgedehnter, tosender Wasserfall über die Felsen. Und unser nächstes Reiseland Kambodscha ist nur noch einen Katzensprung entfernt.

> So geht`s weiter: Kambodscha: Kurs auf Angkor und Tonle Sap
< Vorherige Reisegeschichte

Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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3 Gedanken zu “Südlaos: Bolaven-Plateau, Champasak und Viertausend Inseln

  1. Hallo Suse und Micha,
    Das war wie immer ein schöner und spannender Bericht. Wenn wir eure Geschichten lesen, haben wir immer das Gefühl, dass wir nur an den langweiligen Wegen entlangradeln.
    Jetzt wissen wir auch, wie die Bäume mit den vielen, hübschen weißen Blüten heißen. 🙂
    Die Stampfkartoffeln sind natürlich der größte Hit in Südostasien. Wir hatten in unseren bisherigen 11 Monaten nur einmal in Pattaya das Glück, eine kleine Portion Stampfkartoffeln zu bekommen, allerdings ohne Bouletten…
    Einen Angkor ähnlichen Tempel ganz für sich allein zu haben, ist schon ein großes Glück. Das wird euch wahrscheinlich erst in Siem Reap richtig bewusst geworden sein.
    Liebe Grüße aus Hue, der alten Kaiserstadt von Vietnam mit ganz vielen Frangipanibäumen
    von Ute & Eddy

  2. Tja, in Hamburg ist’s derzeit auch wie in den Subtropen. Es suppt und troppt aus allen Löchern. 🙂
    Sonnencremeduft ist eher nicht angesagt. Es sei denn zur Fernwehtherapie.
    Seufz!
    Martin

  3. Moin Suse und Micha,

    Danke für Bericht und Bilder! Das klingt jetzt nach entspannten Urlaubstagen. Aber das habt Ihr Euch nach dem Geholper durch den Dschungel auch redlich verdient.

    Der Teil über Euren Besuch bei Huk hat mich doch etwas schockiert. Manche Ansichten, Regeln und Rieten alter Naturvölker muten für den Mitteleuropäer doch recht altertümlich und/ oder brutal an. Aber auch das gehört wohl zum Bereisen und Entdecken ferner Länder und Kulturen dazu, sie zu akzeptieren und zu respektieren.

    Gute Weiterreise und lasst die schwarz-gummierte Seite vom Moped immer schön unten. 😉
    Gruß Klaus 🙂